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Mit Worten kann ich fliegen (German Edition)

Mit Worten kann ich fliegen (German Edition)

Titel: Mit Worten kann ich fliegen (German Edition)
Autoren: Sharon Draper
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umrankte seine Worte. »Du schaffst das.«
    Meine Eltern gaben mir die Katze wieder und wieder in die Hände. Aber jedes Mal konnten meine kleinen Finger sie nicht festhalten und sie purzelte zurück auf den Teppich.
    Ich leistete meinen eigenen Beitrag, auf diesen Teppich zu plumpsen. Wahrscheinlich erinnere ich mich deshalb so gut an ihn. Er war grün und aus der Nähe betrachtet hässlich. Ich glaube, Flauschteppiche waren schon aus der Mode, bevor ich geboren wurde. Ich hatte viel Gelegenheit herauszufinden, wie die Fasern eines Teppichs gewoben sind, während ich dort lag und darauf wartete, dass mich jemand aufhob. Ich konnte mich nicht herumrollen, also gab es bis zu meiner Rettung nur mein wütendes Selbst, den Flauschteppich und den Geruch nach verschütteter, saurer Sojamilch in meinem Gesicht.
    Wenn ich nicht im Babysitz saß, stützten meine Eltern mich zu beiden Seiten mit Kissen auf dem Boden ab. Aber ich brauchte nur einen Sonnenstrahl zu sehen, der durch das Fenster fiel, meinen Kopf zu drehen, um den kleinen Staubteilchen zuzusehen, die darin herumschwebten, und
rums
, landete ich mit dem Gesicht voran auf dem Boden. Ich schrie auf, und einer der beiden hob mich hoch, beruhigte mich und versuchte, mich besser in den Kissen auszubalancieren. Trotzdem war ich in wenigen Minuten wieder umgekippt.
    Dad tat etwas Lustiges, zum Beispiel wie der Frosch hüpfen, den wir in der
Sesamstraße
gesehen hatten, und das brachte mich zum Lachen. Und ich fiel wieder hin. Ich
wollte
nicht fallen oder war gar erpicht darauf. Ich konnte nicht anders. Ich hatte keinen Gleichgewichtssinn. Gar keinen.
    Damals habe ich es nicht verstanden, aber mein Vater schon. Er seufzte und zog mich auf seinen Schoß. Er presste mich eng an sich und hielt die kleine Katze hoch oder irgendein anderes Spielzeug, an dem ich offenbar interessiert war, damit ich es anfassen konnte.
    Obwohl er manchmal eigene Wörter erfand, hat Dad nie wie meine Mutter in Babysprache zu mir gesprochen. Er hat mit mir immer wie mit einem Erwachsenen gesprochen, er benutzte echte Wörter und ging davon aus, dass ich ihn verstand. Er hatte recht.
    »Dein Leben wird nicht einfach werden, kleine Melody«, sagte er leise. »Wenn ich mit dir tauschen könnte, würde ich es sofort tun. Das weißt du, nicht wahr?«
    Ich blinzelte nur, aber ich verstand, was er meinte. Manchmal war sein Gesicht nass von Tränen. Nachts brachte er mich nach draußen und flüsterte mir etwas über die Sterne und den Mond und den Nachtwind ins Ohr.
    »Die Sterne da oben geben eine Vorführung nur für dich, mein Kind«, sagte er. »Sieh dir dieses fantastisch funkelnde Schauspiel an! Und fühlst du diesen Wind? Er versucht, dich an den Zehen zu kitzeln.«
    Und tagsüber wickelte er mich manchmal aus all den Decken, auf denen meine Mutter bestand, um mich die Wärme der Sonne auf meinem Gesicht und meinen Beinen spüren zu lassen.
    Er hatte ein Vogelhäuschen auf unserer Veranda angebracht, und dort saßen wir beieinander, während die Vögel herbeistürzten und ein Körnchen nach dem anderen aufpickten.
    »Der rote ist ein Kardinal«, sagte er zu mir, und: »Dieser da drüben ist ein Blauhäher. Sie können sich nicht besonders gut leiden.« Dabei gluckste er.
    Aber vor allem hat Dad für mich gesungen. Er hat eine klare Stimme, die wie gemacht schien für Lieder wie
Yesterday
und
I want to hold your hand.
Dad liebt die Beatles. Nein, man kann Eltern und was ihnen gefällt nicht verstehen.
    Ich hatte schon immer ein gutes Gehör. Ich erinnere mich daran, wie ich dem Geräusch von Dads Auto lauschte, wenn er unsere Straße entlangfuhr, in unsere Auffahrt bog und wie er dann auf der Suche nach seinem Haustürschlüssel in seinen Taschen raschelte. Er warf sie immer auf die unterste Treppenstufe, dann hörte ich, wie die Kühlschranktür geöffnet wurde – zwei Mal. Beim ersten Mal hatte er sich etwas Kaltes zu trinken geholt. Beim zweiten Mal suchte er nach einem ordentlich großen Stück Münster-Käse. Dad liebt Käse. Obwohl Käse sich nicht gut mit seiner Verdauung verträgt. Außerdem hat Dad die lautesten, stinkendsten Fürze seit Erschaffung der Menschheit. Ich weiß nicht, wie er es schafft, sie auf der Arbeit unter Kontrolle zu halten, oder ob er das überhaupt tut, aber wenn er nach Hause kam, ließ er sie frei. Es fing an, wenn er die Treppe hochstieg.
    Schritt. Furz.
    Schritt. Furz.
    Schritt. Furz.
    Bis er in meinem Zimmer war, lachte ich schon, und er beugte sich über mein
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