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Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht

Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht

Titel: Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht
Autoren: Katinka Buddenkotte
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Aldi-Tüten, riecht bis zur Hüfte abwärts nach altem Doornkaat und von dort an nach abgelaufenem Doornkaat. Vom Alter her ist der Typ schwerer einzuschätzen als Zsa Zsa Gabor, aber ich hatte schon immer Probleme damit, Menschen in eine Geburtsdekade einzuordnen, die Minischottenröcke über stark behaarten Beinen tragen.
    »Er wird kommen und auch dich ficken, jaaaaa!«
    Das war eine Botschaft ganz speziell für mich. Das konnte ich daran erkennen, dass Rumpelstilzchen die Worte direkt in mein Ohr gerülpst hat.
    Ich wische mir meine linke Gesichtshälfte ab und versuche,unbeeindruckt und beschäftigt zu wirken. Funktioniert nicht besonders gut, wenn man es versäumt hat, weder ein Buch noch eine Zeitung, ein Handy oder wenigstens einen Leibwächter mit in die Bahn genommen zu haben.
    Ich starre also alternativ auf meine Schuhspitzen und wünsche mir einen Freund. Müsste ja nicht mal ein großer sein. Momentan würde auch ein ganz kleiner genügen, einfach einer, der sich auf den freien Platz neben meinem gesetzt hätte.
    Ich fühle mich einsam, Rumpelstilzchen offenbar nicht, ich bin ja da. Er fuchtelt mir mit einem Einkaufsnetz vor dem Gesicht herum und brüllt: »Der HErr wird kommen und dich ficken, oh jaaa!«
    Ich persönlich könnte jetzt ganz gut mit Ignorieren aufhören, traue mich aber nicht. Das letzte Mal, dass mir ein komplett Durchgedrehter seinen Hirnsenf ungefragt ins Gesicht geblasen und mir damit eine Reaktion abgerungen hat, ist vier Jahre her. Da habe ich eine gewisse Zeit auf Durchzug geschaltet, um dann im richtigen Moment mit noch gröberem Unfug zu kontern. Es könnte wieder klappen. Denn bei dem letzten Irren vor vier Jahren hat es funktioniert, und zwar an jedem Montagmorgen, den Gott kommen ließ. Denn der letzte Irre war mein Abteilungschef in der Werbeagentur und laberte sich bei diesen Montagmorgen-Meetings einmal um den Block und zurück, während alle anderen noch selig auf ihren Stühlen dösten. Und bei diesen Gelegenheiten hat eine scheinbar raffinierte Gegenfrage im richtigen Moment immer einen tollenEffekt erzielt. Mein Chef war nämlich so selbstzentriert, dass er noch nicht einmal merkte, dass ich ihm jeden Montagmorgen denselben Köder hingeworfen habe. Immer, wenn er mich nach seinem Wortgewichse auffordernd anschaute, bemerkte ich scheinbar nachdenklich, am Kugelschreiber kauend, fast so, als hätte ich ihm zugehört und würde tatsächlich mitgrübeln: »Du, finde ich ’ne ganz spannende Idee, Lutz, aber warum machen wir’s nicht einfach umgekehrt?« Darauf folgte kurze Verwunderung, nachdenkliches Schauen gen Horizont, dann ein anerkennendes Nicken in meine Richtung und voller Begeisterung: »Interessanter Ansatz, Katinka, da ist was dran, in die Richtung denken wir doch alle mal weiter   …!«
    Alle dachten das dann mal weiter, wuselten geschäftig herum und boten mir die Gelegenheit, unauffällig herauszufinden, was genau nun wir eigentlich umgekehrt machen wollten.
    Das habe ich zwei Jahre lang knallhart durchgezogen, jeden Montagmorgen, aber irgendetwas sagt mir, dass dieser Irre in der Bahn hier nicht unbedingt so beschränkt ist wie mein ehemaliger Chef. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass dieser Irre mich einfach lyncht, je nachdem, wie er meinen »interessanten Ansatz« deuten würde. Würde er denken, dass ich es »ganz spannend« fände, zum HErrn zu kommen und
ihn
zu ficken, oder würde er mich für eine kleine Besserwisserin halten, weil ich denke, dass der HErr erst ficken und dann kommen wird, wie die meisten anderen Herren auch. Ich halte also lieber den Mund. Rumpelstilzchen kriecht derweilauf meinen Schoß: »Noch heute Nacht wird der HErr kommen und euch alle ficken! Dich als Erste, jaaaa!«
    Jetzt schauen endlich alle Fahrgäste in unsere Richtung und schütteln mit den Köpfen. Sie halten mich für verrückt, weil ich einen Verrückten auf dem Schoß habe. Ein paar männliche Teenager mit Migrationshintergrund mustern mich wie eine kritische Expertenjury für auffälliges Verhalten in Transportmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs. Ich könnte jetzt mit Leichtigkeit an Irrsinn aufholen, mit einer simplen Geste, vielleicht Rumpelstilzchen die Brust anbieten oder so. Aber ich glotze nur doof, es scheint auszureichen. Rumpelstilzchen sieht seine Poleposition im Idioten-Grand-Prix gefährdet und legt nun tüchtig nach: »Denn ich bin Jesus, der HErr, und ich werde dich   …«
    »Oh, nä, ne?«, entfährt es mir. Sonst bin ich keine so
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