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Mit Konfuzius zur Weltmacht

Mit Konfuzius zur Weltmacht

Titel: Mit Konfuzius zur Weltmacht
Autoren: S Aust
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intellektuell wirkende Passantin fällt ihm ins Wort: »Konfuzianismus ist eine Religion? Der Taoismus ist eine Religion, aber doch nicht die Lehren des Konfuzius.« Tatsächlich hatte Konfuzius gesagt: »Achte die Geister und halte dich fern von ihnen.«
    »Der Konfuzianismus fing eigentlich damit an, dass er sich gegen die Religion wehrte«, erklärt Sinologe Tilman Spengler, »wie wir heute mit einem etwas schäbigen theologischen Begriff sagen würden, gegen den Aberglauben, also gegen den Glauben an Geistererscheinungen und Ähnliches mehr. Dagegen setzte Konfuzius ein Programm der Aufklärung. Umgekehrt hat aber der Konfuzianismus, seitdem er staatstragend geworden war, eine quasireligiöse Verehrung gefunden.«
    Und der sind jetzt sogar die atheistischen Kommunisten verfallen, auch Kader der Partei machen Konfuzius ihre Aufwartung. Begleitet von einem Fernsehteam und Fotografen, schließen ein KP-Provinzfunktionär und seine Entourage ihren langen Marsch durch den Geburtsort des Weisen beim Tempel ab. Einheitlich tragen sie blitzblanke und frisch gebügelte weiße Hemden, stramm posieren die Genossen vor dem »Tor des Respekts für den Heiligen«.
    Wei Jing, Mitarbeiterin des Denkmalschutzamtes von Qufu, zeigt im Tempel ein Tor mit einer roten Holztür. Sie ist fast immer geschlossen und wurde früher nur für den Kaiser von China geöffnet. »Jetzt wird sie wieder geöffnet werden − für Generalsekretär Hu Jintao«, verrät die Denkmalschützerin, »denn heute nimmt er die Position ein, die früher der Kaiser hatte.«
    Auch die roten Machthaber wollen jetzt profitieren von Aussagen des Konfuzius wie: »Der Herrscher soll wie ein Polarstern sein. Er bleibt an einem Ort, während sich alle Sterne um ihn drehen.« Gleichzeitig will die KP-Führung seine Lehren nutzen, um ihre eigenen Kader zu disziplinieren. Die Parteispitze zitiert jetzt sogar Funktionäre in die einstige Residenz der Konfuzius-Familie, um sie hier von den Verführungen der Korruption zu heilen. Eine Tafel berichtet von dieser neuen Entwicklung. »Die Anti-Korruptions-Kommission der Provinz-Parteiführung sitzt hier«, erläutert Denkmalschützerin Wei Jing. »Bestechliche Funktionäre müssen hierher zur Erziehung kommen.«
    China-Kenner Tilman Spengler meint dazu: »Es ist ja in allen Ländern so, und es ist in der katholischen Kirche genauso: Ein mageres Einkommen muss durch ideologische Festigkeit kompensiert werden. Auch der chinesische Kader verdient wenig. Er hat Macht, aber er verdient nicht viel Geld. Hingegen verdienen die Leute, die seiner fürsorgenden Beachtung unterworfen sind, sehr viel mehr Geld als er. Dadurch entsteht eine gewisse Gewinnsucht, um es höflich zu sagen. Früher hat man das durch den Gedanken der Solidarität oder der Parteitreue oder der Parteidisziplin aufgefangen. Jetzt braucht man dafür irgendetwas anderes, denn diese alten Schoten zählen nicht mehr. Da kommt der Konfuzianismus gerade recht. Deshalb sagt die Partei: ›Packen wir jetzt mit Konfuzius zu.‹«
    Tatsächlich kann es für die Kommunisten leicht zum Bumerang werden, wenn mehr Chinesen den echten Konfuzius kennenlernen. Zwar forderte er, der Untertan möge sich dem Herrscher unterordnen, gleichzeitig stellte er aber hohe Anforderungen an den Herrscher selbst. »Will man Gehorsam durch Gesetze und Ordnung durch Strafe, dann wird sich das Volk den Gesetzen und Strafen zu entziehen versuchen und alle Skrupel verlieren«, mahnte er. »Wird hingegen nach sittlichen Grundsätzen regiert und die Ordnung durch Beachtung der Riten und der gewohnten Formen des Umgangs erreicht, so hat das Volk nicht nur Skrupel, sondern es wird auch aus Überzeugung folgen.« Autoritäre Unterdrückung von Kritik lässt sich nicht mit Konfuzius rechtfertigen, im Gegenteil: »Wenn nun der Herrscher Falsches oder Unrechtes sagt − und niemand widerspricht ihm –, kann da nicht tatsächlich ein Wort das Land fast ins Verderben stürzen?« Er ermutigte zur Kritik, auch an ihm selbst: »Dass die Menschen sicher meine Fehler erkennen, ist mein Glück.« Immer mehr Chinesen machen heute von diesem Recht auf Kritik Gebrauch.
    Der Rennfahrer trägt noch seinen Overall, als er auf der Shanghaier Rennstrecke Tianma , übersetzt »Himmelspferd«, an den Offiziellen vorbeigeht und ihnen den Stinkefinger entgegenstreckt. »Ich bedaure nur eins«, sagt der schüchtern und jungenhaft wirkende Rebell, »dass ich sie nicht mit beiden Händen verflucht habe. Aber mit der anderen habe
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