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Mit Konfuzius zur Weltmacht

Mit Konfuzius zur Weltmacht

Titel: Mit Konfuzius zur Weltmacht
Autoren: S Aust
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ich gerade telefoniert.« Han Han, so heißt der Mann, brach als Teenager die Schule ab. Dafür hat er ein paar andere Talente: Chinas bekanntester Rennfahrer wurde im Jahr 2007 für das Team von Shanghai Volkswagen chinesischer Champion; obwohl erst 29 Jahre alt, hat er als Schriftsteller bereits 14 Bücher veröffentlicht, von denen es fünf an die Spitzen der Bestsellerlisten brachten. Viele junge Chinesen finden seine Literatur genial, insbesondere wegen ihrer sarkastischen Kritik am autoritären System. Han Han singt und hat die Texte zu seinem Album mit dem Titel Erst ab 18 selbst geschrieben; mit 440 Millionen Klicks ist er Chinas erfolgreichster Blogger und einer der ersten weltweit.
    Als wäre das nicht genug, engagiert er sich auch noch für Menschenrechte, wofür er vor allem seinen Blog nutzt. »Die Stadtregierung hat schwere Verbrechen begangen, geraubt, betrogen und eine Mafia aufgebaut«, schrieb er etwa über einen Fall von Polizeibrutalität in Shanghai: Kopfgeldjäger sprangen in fremde Autos, behaupteten, sie seien krank, und baten darum, mitgenommen zu werden. Fuhren die Fahrer dann los, schnitt ihnen ein anderer Wagen den Weg ab, und Zivilpolizisten zerrten sie aus dem Auto und nahmen sie wegen »illegalen Taxibetriebs« fest. Die Opfer mussten jeweils eine Geldstrafe von 10 000 Yuan bezahlen, umgerechnet mehr als 1000 Euro. Mit solchen Fallen sollen Shanghaier Zivilpolizisten und von ihnen angeheuerte Schläger mehr als 50 Millionen Yuan erpresst haben.
    Die Regierung wollte den Grünen Wall, eine Zensursoftware, in alle Computer einbauen lassen, angeblich um Kinder zu schützen. Da höhnte Han Han: »Jeder weiß, in unserem Land ist Jugendschutz die beste Ausrede, um die Kultur zu kontrollieren.« Er verlangt nach Freiheit: »Wir sollten verschiedene Stimmen akzeptieren, selbst wenn sie böswillig oder verletzend sind.« Den Nationalisten in seinem Land hält er entgegen: »Ich denke nicht, dass ich meine Nation bedingungslos lieben muss, nur weil ich hier geboren bin – ich habe mir das ja nicht ausgesucht.« Als ihm ein Reporter der Chinesischen Illustrierten vorwarf, er sei »verwestlicht«, entgegnete er: »Dass man etwas verwestlicht oder veröstlicht nennen kann, glaube ich nicht. Einziger Maßstab ist, ob es dem Menschen gerecht wird.«
    Was nach Willkür aussieht, ist auch tatsächlich Willkür: Während Han Han in China ein Star ist, wurde der spätere Nobelpreisträger Liu Xiaobo wegen ähnlicher Äußerungen zu elf Jahren Gefängnis verurteilt. Der Präsident der unabhängigen Schriftstellervereinigung PEN in China ist Mitautor der Charta 08, die politische Reformen verlangt und in der es heißt: »Wir sollten damit aufhören, Worte zu kriminalisieren.« Von vielen anderen Kritikern unterscheidet er sich lediglich dadurch, dass er offen die zentrale Staats- und Parteiführung anprangert, während sich die meisten bewusst allgemeiner ausdrücken oder untergeordnete Instanzen angreifen. Die Richtersprüche gegen Liu Xiaobo und andere Dissidenten zeigen, dass China eine Diktatur geblieben ist. »Töte das Huhn, um den Affen zu erschrecken«, heißt ein chinesisches Sprichwort. »Bestrafe einen, erziehe Hunderte«, lautete Maos Rechtfertigung für politische Hinrichtungen. Neu ist jedoch: Die Abschreckung verfehlt immer öfter ihre Wirkung.
    Dabei sind Blogs wie die von Han Han im sich schnell entwickelnden Internet – und im sich noch rascher verändernden China – schon wieder von gestern. Die neue Volksbewegung in China heißt weibo , wörtlich »kleine Blogs« oder Mikroblogs. Sie mischen Eigenschaften von Facebook und Twitter, die beide in China von der Zensur gesperrt sind. Eine Nachricht darf maximal 140 Zeichen haben, wie bei Twitter, nur kann man damit im Chinesischen mehr ausdrücken, da ein Schriftzeichen einem ganzen Wort entsprechen kann. Auch Fotos und Videos können versandt werden, vor allem aber kann jeder mitmachen. Bereits mehr als 200 Millionen Chinesen nutzen die Mikroblogs, und jeden Monat kommen zehn Millionen dazu. Fast jeder zweite der 485 Millionen chinesischen Internetnutzer schreibt demnach selbst mit. Die weibo sind also im gewissen Sinne »demokratischer« als die bisherigen Blogs.
    Der Einfluss der Mikroblogs zeigte sich, als bei einer Kollision zweier Schnellzüge am 23. Juli 2011 nahe der Stadt Wenzhou 40 Menschen getötet und fast 200 verletzt wurden. Noch aus dem Zug sandten Passagiere die ersten Informationen, und als die Behörden dann versuchten,
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