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Mit Konfuzius zur Weltmacht

Mit Konfuzius zur Weltmacht

Titel: Mit Konfuzius zur Weltmacht
Autoren: S Aust
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verdreißigfacht. Während dieser Zeit entwickelten sich enorme Unterschiede in den Einkommen. Doch entgegen landläufigen Vorstellungen im Westen ist die Zahl der Armen nicht gestiegen, sondern zurückgegangen. 1981 lebten noch 53 Prozent der Chinesen unter dem Existenzminimum. Jetzt sind es weniger als 3 Prozent. Noch nie zuvor in der Geschichte wurden so viele Menschen in so kurzer Zeit von bitterer Armut befreit.
    »China und Indien erobern ihre alten Positionen zurück«, sagt Singapurs Staatsgründer Lee Kuan Yew, der seinen Stadtstaat selbst von einem verkommenen Rattenloch zu gewaltigem Wohlstand geführt hat. »China ist das größte Comeback der Geschichte«, meint auch Jörg Wuttke, Chefrepräsentant der BASF in Peking und langjähriger Präsident der Europäischen Handelskammer dort.
    Zum Lachen sind politische Witze vor allem dann, wenn das Leben sie einholt. Wie der vom sowjetischen Wahrsager, der einst die Parade zum 1. Mai auf dem Roten Platz in Moskau für den Zeitraum von zehn Jahren so voraussah: »Ich sehe Spruchbänder: Frieden, Fortschritt, Sozialismus.« 20 Jahre später: »Die Losung lautet jetzt: Mehr Frieden, mehr Fortschritt, mehr Sozialismus.« 30 Jahre später: »Ich kann es nicht lesen. Es ist alles Chinesisch.« Die Sowjetunion ging unter. Danach blieben die USA als einzige Weltmacht.
    Und heute befinden auch sie sich im Siechtum. Die Amerikaner haben über ihre Verhältnisse gelebt und sich ruiniert. Auch der Euro steht für Krise. Ursprungsländer der europäischen Hochkultur wie Griechenland und Italien sind pleite oder stehen kurz davor. Gleichzeitig hat China 3200 Milliarden Dollar Devisenreserven angehäuft, so viel wie kein Land zuvor. Schon mit einem Drittel dieser Summe könnte Peking sämtliche Dax-Unternehmen aufkaufen. In wenigen Jahren wird China die USA als größte Volkswirtschaft der Erde ablösen. Der bisherige Exportweltmeister Deutschland ist bereits übertroffen.
    Den unterschiedlich großen Bankguthaben entsprechen gegensätzliche Befindlichkeiten: Während Amerikaner und Deutsche pessimistisch in die Zukunft blicken, meinen 76 Prozent der Chinesen, dass sie in fünf Jahren besser leben werden. Damit sind sie das optimistischste Volk der Erde.
    Der Kontrast könnte größer nicht sein. In Stuttgart protestieren »Wutbürger« gegen einen neuen Bahnhof, der seit 15 Jahren geplant ist. Monatelang dreht sich alles um den Protest der »Wutbürger« gegen das Projekt. Der Schutz des Juchtenkäfers, welcher zur Unterfamilie der Rosenkäfer gehört, wird vorgeschoben, um die Bauarbeiten zu stoppen. Polizeieinsätze mit Wasserwerfern und Knüppeleien, endlose Fernsehdebatten und am Ende ein Regierungswechsel demonstrieren die Verweigerungshaltung großer Teile der Bevölkerung.
    In eineinhalb Jahrzehnten stampften die Chinesen andererseits ganze Mega-Citys aus dem Boden.
    Während an Berliner Schulen der Unterricht im Chaos versinkt, erreicht Shanghai bei der Pisa-Studie Platz 1. Es folgen Hongkong, Singapur und Südkorea. Sie alle berufen sich auf einen Mann, der seit fast 2500 Jahren tot ist: Konfuzius. Er predigte Lernen und Disziplin, genau das, was heute im globalen Wettlauf zählt. Eine repräsentative Umfrage unter 1878 Studenten von 24 chinesischen Universitäten kam 2011 zu dem Ergebnis: Konfuzius gilt ihnen als erster Symbolbegriff für ihre Nation und als die wichtigste Person, die chinesische Werte nach außen vermitteln kann. Mao landet weit abgeschlagen auf Rang 30.
    »Beide Hände strecken, dreimal verbeugen!«, schreit der Tempeldiener. Die junge chinesische Touristin in Qufu, dem Heimatort von Konfuzius, trägt ein orangefarbenes Sweatshirt und eine weiße Hose, umklammert einen brennenden Räucherstab, weiß nicht, wie hoch sie ihn halten und wie tief sie sich verbeugen soll. »Richtig so?«, fragt sie. Der Tempeldiener geht nicht auf sie ein, er ruft: »Erste Verbeugung für gute Studienleistungen.« – »Soll ich anfangen?« Stur fährt er mit seinem Ritual fort: »Noch einmal verbeugen. Dafür, dass alle Wünsche wahr werden.« Als sie zögert, befiehlt er: »Verbeugen Sie sich jetzt!« Dann schreit er den nächsten Wunsch in die Welt hinaus, den die Frau vor der Zeremonie angegeben hat: »Dritte Verbeugung für Frieden in der Familie.« In anderen chinesischen Tempeln bleiben solche Wünsche unausgesprochen, aber hier ist es anders. »Gehen Sie zurück, machen Sie noch drei Kotaus«, ordnet der Tempeldiener an.
    Der alte Konfuzius ist den Chinesen
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