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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago
Autoren: Heide Fürböck
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doch von Westen rückt die nächste Wolkenfront bedrohlich heran mitsamt dem Regenpotential, das sich im Laufe des Tages über uns ergießen wird. Heute, einschließlich der nächsten vier Tage, testen wir unser Durchhaltevermögen nicht nur in punkto Kälte, Regen und Wind, sondern stellen auch unseren Humor auf eine harte Probe. Und selbst wenn es in kilometerlangem Schweigen so aussehen mag, ganz kommt er uns nicht abhanden. Von Zeit zu Zeit durchdringt dann wieder Wolfgangs Stimme meine Trübsalwand: »He, Kommandant Furbodx, is da koit?« - »Na, i schwitz - siagst net, wia ma d’Bria obarinnt!« Aber nicht nur unser zeitweilig aufflackernder Humor rettet uns von einem Tag zum nächsten, auch die Regeneration in unseren auserwählten Unterkünften trägt wesentlich zur Überbrückung der Schlechtwettermisere bei. Zudem lenken hie und da kleine Begebenheiten von unserer tropfenden Existenz ab. So auch die zufällige Bekanntschaft einer Familie in Krauchenwies, die noch vor einigen Jahren mitten im Ort eine Eicher-Werkstätte betrieben hat. Prospekte aller Art, die die freundliche Chefin aus dieser Zeit für uns aus alten Schachteln hervorkramt, wandern in unseren Besitz; eigentlich ein Packen Altpapier, den unsere Eicher-Spleenigkeit in einen kleinen Schatz verwandelt.
    Der ungemütliche Regentag darauf findet in Bad Wurzach ein gutes Ende, als man uns im »Schwarzen Adler« ein einziges noch freies Einzelzimmer zum Sonderpreis überläßt.
    Um viele Wärmegrade weniger erholsam erweist sich die Nacht in Obergünzburg, als wir nach einer aufreibenden Schlacht gegen das Azoren- und Skandinavientief völlig durchweicht im »Gasthof Engel« um Quartier fragen. Man nimmt uns überaus freundlich auf, obwohl wir reichlich ungelegen kommen. Wir sind die ersten Gäste nach dem Pächterwechsel, unter dessen Folgen von Um- und Neugestaltung das Haus noch immer leidet. Das Chaos stört uns nicht, wesentlich mehr schmerzt uns ein Rohrbruch, der Heizung und Warmwasserversorgung lahmlegt. Die Wirtin bietet uns als Entschädigung ein kostenloses Abendessen an, das wir jedoch dankend ablehnen. Zwar wäre ein Essen das geeignete Mittel gegen unsere Unterkühlung, doch bei meinem Gezitter würde ich kaum das Besteck halten können. Ausgelaugt kriechen wir beide samt Kleidung in die Betten, und während ich warte, daß meine Zähne unter einem unkontrollierbaren Geklapper zersplittern, tauchen Sequenzen des vergangenen Nachmittags vor mir auf - Kühe, wie sie mit krummem Buckel und triefnaß an den Weidezäunen zusammenstehen und armselig glotzen. Im Moment ist mir, als wären dies die einzig bewußt wahrgenommenen Eindrücke der letzten drei Tage. Daß wir jetzt in einem eiskalten Zimmer unter Polster und Tuchenten vergraben liegen, will mir nicht so recht in den Kopf. Während der Fernseher läuft, um wenigstens die akustische Frostigkeit zu mildern, regnet es draußen Bindfäden ohne Unterlaß - die ganze Nacht bis zum Morgen und selbstverständlich auch noch den ganzen nächsten Tag.
    Während der Fahrt schütze ich mich vor aufkeimendem Mißmut, indem ich einfach an gar nichts zu denken versuche, meine gefühllosen Zehen ab und zu durchnumeriere und mein unentwegtes Nasentröpferl wegschleudere. Tauchen plötzlich Umleitungsschilder auf, so erwachen wir beide kurzfristig aus einer verbunkerten Wahrnehmung und sind nahe dran, diese Umleitungen aus der Sicht unseres stumpfsinnigen Dasitzens als vorsätzliche, persönliche Schikane zu verfluchen. Ohne Zweifel zerrt dieses Dauergepritschel an den Nerven.
    Am vorletzten Tag vor unserer Ankunft in Förstern nieselt es am Morgen, doch bis zum Nachmittag weiten sich erste wolkenlose Flecken zu einem strahlendblauen Himmel und entlang des Starnberger Sees entfaltet sich noch einmal ein Herbst, wie er im Buche steht. Natürlich nicht mehr vergleichbar mit jenen goldenen Oktobertagen im Elsaß, dazu blitzt es schon zu verdächtig schneeweiß von den fernen Berggipfeln; die kühle Luft klingt vor Klarheit und die Laubwälder haben den Zenit ihrer Buntheit bereits überschritten.
    Sauerlach wird die letzte und zugleich teuerste Station unserer Reise. Im hypermodern umgebauten »Hotel Neuwirt«, einem ehemaligen Bauemhof, gönnen wir uns den Luxus einer Nächtigung, wohlwissend, daß wir damit unseren Reiseetat erheblich belasten und uns eigentlich nur den Betrag des Frühstücks davon leisten könnten. Naja, Schwamm und schlechtes Gewissen darüber! Dafür machen wir gute Erfahrungen,
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