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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago
Autoren: Heide Fürböck
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deutschsprechende Typ an der Rezeption an und straft unseren Jockl durch das Fenster mit einem verächtlichen Blick. Ja, ich stelle mir das so vor, daß wir ein Zelt aufschlagen und darin die Nacht verbringen, oder was ist sonst auf diesem Campingplatz üblich? Gräbt man sich ein Loch, oder legt man sich unters Auto oder in den Kofferraum? Seltsam, dabei hat dieser unrasierte Monsieur einen nicht branchenunkundigen Eindruck gemacht. Außerdem, meint er, zwei Nächte könnten wir ohnedies nicht bleiben, und ob wir überhaupt eine Campingkarte hätten. Diese weise ich ihm mit dem Einverständnis vor, daß wir auch mit einer Nacht zufrieden wären; doch auch daraus wird nichts. Mit Sicherheit war seine Ablehnung bereits bei meinem Eintreten besiegelt, denn sein ganzes ruppiges Verhalten zeugt davon, daß er uns schlichtweg für Gesindel hält, für rumzigeunerndes Pack, das seine notablen Gäste nur kompromittieren würde. Der mit schlechten Umgangsformen geschlagene Mann sollte einen mehrwöchigen Benimm-Kurs belegen, es wäre bestimmt nicht zu seinem Schaden. Die Moral von der Geschieht’: Hat ein Platz vier Sterne, sieht man uns nicht gerne! Na dann Abzug! Für uns bedeutet das unter Umständen einen Verzicht auf Eguisheim, denn der nächste, noch offene Campingplatz beordert uns bis nach Riquewihr, wo man uns allerdings ohne viel Federlesens einläßt, obwohl wir auch dort vor einer Vier-Sterne-Schranke stehen und uns insgeheim bereits mit einem resoluten »... nein, das kann einmal nicht sein, da geht nur fort, ihr kommt nicht rein!« in einen Stall ä la Bethlehem abgeschoben sehen. Doch diesmal zeigen der Herr im Himmel sowie der Herr am Campingplatz Erbarmen.
    Unsere Turckheimer Wut verdaut sich erst bei einem Bummel durchs vorabendliche Riquewihr, das in den langen Schatten der Weinberge ziemlich vergessen und verschlafen wirkt. Gleich hinter dem Stadttor sehen wir uns jedoch einem Touristengewusel wie zur Hochsaison ausgesetzt. Selbst nach 18.00 Uhr ziehen Gruppen um Gruppen durch die breite Hauptstraße. In den Gartenlokalen herrscht Hochbetrieb, schließlich besinnt sich jetzt alles auf den gemütlichsten und kalorienreichsten Teil des Tages. Viele Geschäfte haben noch geöffnet, Bäckereien bieten »Kuglhopf«-Kostproben an, und Weinstuben schenken im Straßenverkauf süffigen Sturm aus. Da wollen auch wir nicht mehr widerstehen - ein paar Prösterchen seien uns nach dem Ärger schon vergönnt. Die Menschenmassen werden uns gleichgültig und die Stadt noch mittelalterlicher und sehenswerter als sie ohnedies schon ist.
     
    Es liegt gewiß nicht an den alkoholischen Auswirkungen des Sturms, daß wir die folgende Nacht als ungewöhnlich warm empfinden. In T-Shirt und Schlabberhose stehe ich vor dem Zelt und grabe meine Blicke in den pechschwarzen Himmel, an dem sich ein paar einsame Glitzerpünktchen verirrt haben. Seit fast fünf Monaten hält uns unsere Reiselust nun auf Achse, vom blühenden Frühling bis zu den letzten warmen Tagen im Herbst. Wie sich nachträglich rausstellen wird, hatten die Winzer mit ihren Schlechtwetterprognosen recht, und die Wende vom goldenen zum kalt-tristen Oktober wird nach diesen milden Nachtstunden eintreten. Bereits am Morgen ballen sich, wie bestellt, bedrohliche Wolkenfronten über den Bergen; grau und regenschwer treiben sie zu uns heran. Aus sämtlichen Richtungen tönt Traktorengeknatter, und in den Weingärten arbeiten alle auf Hochtouren, denn der Dauerregen hängt praktisch in der Luft. Schweren Herzens streichen wir Eguisheim und Straßburg und entscheiden uns endgültig für eine umgehende Heimreise. Nur heute noch - diesen einen Tag - wollen wir keinen Gedanken daran verschwenden und zum Ausklang in elsässischer Fachwerklieblichkeit schwelgen. Ribeauville bietet uns diesbezüglich ausreichend, so daß wir auch bei einem Wiederholungsbesuch einige Stunden Aufenthalt einplanen können. Doch noch während der vier Kilometer in die Stadt, fällt der erste, zweite, dritte... Tropfen - und damit endet genaugenommen der Schönwetterherbst einschließlich unseres Urlaubs. Wie aus einer Gießkanne rauscht der Regen auf uns nieder, und der dunkle Himmel lastet fast körperlich spürbar über der Landschaft. Die Hochkönigsburg, deren Gemäuer gestern noch hell gegen den Süden leuchtete, verwischt in der Düsternis von Wald und Wolken hinter Regenfahnen. Obwohl darauf gefaßt, überrumpelt uns dieser massive Wetterumschwung doch ein wenig und beeinträchtigt unseren
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