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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago
Autoren: Heide Fürböck
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kleiner Umweg bald wieder ins richtige Gleis. In St. Georgen, einem Stadtteil von Freiburg, bietet sich ein Campingplatz neben einem Gasthof als idealer Standort für unsere Weiterreise an. Nur leider müssen wir mit einem Platz unter einigen Walnußbäumen vorliebnehmen, und als es während unseres Zeltbaues zu regnen beginnt, zeigt sich bald unsere undankbare Lage. Pausenlos plumpsen Walnüsse, naß und schwer wie Glasmurmeln auf das gespannte Zeltdach - Plock! - Tock! - Dong! - und schlagen die ganze Nacht über Löcher in unser Nervenkostüm, welches unter dem andauernden, wütenden Regengeprassel ohnedies merklich dünner wird.
     
    Erwartungsgemäß regnet es am Morgen immer noch. Wir sammeln die Walnüsse ein, die unseren Wachzustand über die Nacht gerettet haben - ein ganzer Einkaufssack voll. Wenigstens ein schmackhaftes Souvenir; ich rieche schon die köstlichen Nußkuchen, die ich uns daraus fabrizieren werde.
    Unsere Hoffnung auf eine kleine Wetterbesserung können wir buchstäblich in Wind und Regen schreiben. Freiburger Sonntagsruhe schwappt in den Pfützen der Straßen hin und her und wellt auf unzähligen Bächen in die Kanalisation der Stadt, die wir durchqueren müssen, um auf die B31 nach Donaueschingen zu gelangen. Bereits in Kirchzarten kämpfen wir gegen eine sich einschleichende Mutlosigkeit an, und das Quentchen Elan, das wir am Morgen notdürftig zusammengekratzt haben, verpufft im ständigen Warmreiben von Schenkel und Kniescheiben. Vergebens, wir kühlen ab wie in Förmchen gegossener Pudding. Windböen schlagen uns den Regen wie eine heitere Plantscherei entgegen und pressen das Wasser zwischen Kapuze und Gesicht, von wo es in wunderbar erfrischenden Rinnsalen unaufhörlich in Fleecejacke und Pullover versickert, so daß über kurz oder lang ein kalter Umschlag um Hals und Schultern liegt. Wolfgangs Arme stecken zudem in bis zu den Ellenbogen wasserdurchtränkten Jackenärmeln. Die Landschaft verschleiert hinter grauen Regenwänden, die den Himmel so nah herunterziehen, daß man ihn bald zu berühren glaubt. Schweigsam, mit verkniffenen Blicken, erstarrter Haltung und tauben Fußsohlen, so stemmen wir uns dem Unausweichlichen entgegen.
    Im Höllental kehren wir in einem Gasthof ein, weniger aus Hunger, als um unsere Klamotten auswinden und mit Papierhandtüchern aus den Waschräumen die Nässe aufsaugen zu können. Wir essen dann doch zu Mittag, froh, für eine Weile im Trockenen zu sitzen, bevor wir uns ins nächste Bad hechten. Soll das nun tagelang so weitergehen? - Ja, es soll und wird.
    In einem Café in Neustadt bestelle ich mir einen Glühwein; wenigstens zum Händewärmen hat er getaugt, ansonsten verglüht er in mir wirkungslos. Abwechselnd verschwinden Wolfgang und ich für längere Zeiten in den Waschräumen, um die Handtrockner in Beschlag zu nehmen. Mein steifer Nacken fühlt sich an, als wär jemand draufgetreten und noch nicht wieder runtergestiegen. Gott sei Dank hebt sich die grauenhaft deprimierende Wolkendecke etwas, der Regen läßt nach und bis Donaueschingen bleiben wir von weiteren Güssen verschont. Am Riedsee-Campingplatz werde ich das Gefühl nicht los, daß ein fremdes Knochengerüst in mir steckt, denn mein eigenes kann das nicht sein, mit dem ich mich so ungelenk durch die Gegend bewege.
    Das kurze Sonnen-Intermezzo, wenige Minuten vor ihrem Untergang, täuscht uns nicht darüber hinweg, daß uns eine unangenehm-frostige Nacht bevorsteht wird. Stundenlang verprassen wir mittels Lampe und Kocher unsere Gasvorräte und können nicht widerstehen, den Kocher ab und zu wie einen Flammenwerfer aufzudrehen, um uns wenigstes für einige Augenblicke in wohliger Wärme räkeln und die knackenden Glieder aus ihrer Erstarrung strecken zu können. Die restlichen Stunden heißt es ausharren. Auch im Traum bin ich zu Reglosigkeit verurteilt und muß zusehen, wie vom Fußteil meines Schlafsacks eine gläserne Schicht bis zum Kinn heraufwächst. Das waren wohl dunkle Ahnungen, denn am Morgen liegt - nein, kein Schnee - aber immerhin Reif.
    »So, aus! I bin do net da Messna Reinhoid, daß i ma di Zechn ogfrea! Des woa unsa lezte Zötnocht!« Wolfgangs Feststellung bzw. Ankündigung habe ich nichts mehr hinzuzufügen, selbst für uns Outdoor-Freaks ist das Maß nun voll. Wir müssen weder uns noch sonst jemanden unsere Witterungstauglichkeit und Kälteresistenz unter Beweis stellen, schon gar nicht mit einer ungeeigneten Sommerausrüstung. Im Moment scheint zwar noch die Sonne,
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