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Mit Herrn Lämmlein ist was los

Mit Herrn Lämmlein ist was los

Titel: Mit Herrn Lämmlein ist was los
Autoren: Tilde Michels
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seinem Leben widerfahren.

Theo hält nicht dicht
     
    So gern Herr Lämmlein mit seinem Durch-die-Wand-Gehen auch weiter unerkannt geblieben wäre —
auf die Dauer ließ es sich nicht verheimlichen.
    Als Theo in die Schule ging, war es
eines Tages soweit. Der bescheidene Lämmlein trat ans
Licht der Öffentlichkeit.
    Edi , Arthur, Specht und Pimmel erfuhren es
zuerst. Sie standen mit Theo zusammen auf dem Schulhof. Edi machte eine Faust, bog den Arm ab und hielt seinen Kameraden den Oberarm hin.
    „Da, fühlt mal!“
    Dabei ließ er die Muskeln spielen, und
Arthur, Specht, Pimmel und Theo befühlten sie mit Anerkennung. Edis Vater war Ringer. Das verschaffte Edi von vornherein Hochachtung vor der Klasse. Er war in den Augen der Kameraden
der Botschafter dieses kraftvollen Berufes.
    Arthur trat in den Kreis.
    „Mein afrikanischer Onkel“, sagte er.
Dann wartete er kurz ab, bis sich die Aufmerksamkeit der anderen von Edis Muskeln abgewendet hatte. Arthur war sich seiner Sache
sicher. Mit seinem afrikanischen Onkel hatte er eine Sonderstellung. Einen
afrikanischen Onkel hatten die anderen nicht. Er hätte ja auch sagen können „mein
Onkel in Afrika“. Aber das war nicht so wirkungsvoll. Und Arthur wußte seine
Erzählungen auch so zu gestalten, daß man immer im Zweifel blieb, ob es sich
bei diesem Onkel nicht am Ende um einen regelrechten Neger handelte. Die Klasse
liebte diese Vorstellung sehr und war an der
    Klärung der Frage nicht interessiert.
    „Mein afrikanischer Onkel“, wiederholte
Arthur lässig, „hat einen Elefanten und ein Nashorn mit einem einzigen
Speerwurf erlegt.“
    Das zündete. Edi ,
der gerade noch selbst im Mittelpunkt des Interesses gestanden hatte, machte
einen kreisrunden Fischmund und ließ stoßweise Luft ab. Edi war beeindruckt. Arthur bemerkte das mit Befriedigung.
    „Mensch, Einzelheiten!“ forderte
Specht.
    Arthur machte eine weltmännische Geste
— so wie er sich vorstellte, daß weitgereiste Männer mit dem Arm ausholen,
bevor sie erzählen:
    „Mein Onkel hat sich gerade im Schatten
einer Palme hingelegt — da stampft ein Elefant aus dem Busch und hinter ihm
drein rast ein Nashorn. Der Elefant macht kehrt, das Nashorn rast weiter und
direkt in den Elefanten hinein. Da sind die beiden mit Stoßzähnen und Nashorn
ineinander verkeilt wie zwei Schwerlaster nach einem Zusammenstoß. Mein Onkel erfaßt die Lage, holt aus und mit einem wohlgezielten Speerwurf durchbohrt er beide.“
    Nach dieser Erzählung war es eine Weile
still. Das heißt, ganz still war es nicht, weil Edi sehr schnaufte. Das hatte er sich angewöhnt, weil sein Vater Ringer war und
auch sehr schnaufte.
    Der erste, der wieder redete, war
Specht. Er fühlte, daß er jetzt an der Reihe war.
    Specht hieß übrigens so, weil er auf
der Schulbank Klopfzeichen hämmerte, wenn er während des Unterrichts eine
Nachricht weitergeben wollte.
    „Sucht Euch ein Ziel aus!“ forderte
Specht die Kameraden auf.
    Alle überlegten. Schließlich deutete
Pimmel auf das Emailschild mit dem Pfeil und der Aufschrift „Direktor“ am
Eingang zum Schulhaus.
    „Der I-Punkt vom Direktor“, sagte er.
    „Drei Meter“, sagte Specht.
    Pimmel maß mit den Schritten drei Meter
ab. Specht stellte sich breitbeinig auf, holte tief Luft und zischte seinen
Kaugummi genau auf den I-Punkt vom Herrn Direktor.
    „Klasse!“ lobte Edi .
    Specht nahm die Bewunderung
herablassend entgegen. Er kniff dabei die Augen etwas zu, weil man sonst
nämlich gesehen hätte, daß sie vor Stolz leuchteten. Und Specht wollte
unbedingt gleichmütig erscheinen. Nur wenn man eine gute Leistung gleichmütig
vollbrachte, galt man etwas. Das war so.
    Jetzt wäre eigentlich Pimmel drangewesen . Aber Pimmel brauchte sich nicht anzustrengen.
Pimmels Vater war Rennfahrer. Rennfahrer mit silbernen Siegerpokalen zu Hause
in der Vitrine. Pimmel trug ständig ein Foto mit sich herum, auf dem sein Vater
in seinem Rennauto saß und mit dem Kopf aus einem riesigen Lorbeerkranz
herausschaute.
    Pimmel kramte das Foto aus der Tasche.
Mehr brauchte er nicht zu tun. Das Bild machte die Runde und Pimmels Vorrang
war wieder einmal unbestritten.

    Und Theo?
    Die Kameraden hatten fast vergessen,
daß er auch dabeistand.
    „Mach Dir nichts draus, Theo“, sagte
Arthur nachsichtig. „Nicht alle sind auserwählt. Du kannst ja schließlich
nichts dafür, daß Dein Vater bloß auf dem Büroschemel reitet.“
    Die anderen lachten. Theo wurde rot.
    „Wieso“, sagte er und nahm
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