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Mit Herrn Lämmlein ist was los

Mit Herrn Lämmlein ist was los

Titel: Mit Herrn Lämmlein ist was los
Autoren: Tilde Michels
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der Stirn.
    „Für heute ist es sowieso zu spät“,
beruhigte Herr Lämmlein das Findelkind und sich selbst.
    „Jetzt schlafen wir erst mal.“
    Dann packte er die neuen Windeln aus,
legte das Kind trocken und brachte es wieder in sein großes Bett. Er selbst
setzte sich in den Sessel.
    Als er gerade ein bißchen eingenickt
war, weckte ihn mörderisches Gebrüll. Aufgestört blickte Herr Lämmlein den
Säugling an. Hatte er ihn nicht gefüttert und gewickelt, hatte er ihm nicht
sein eigenes Bett zur Verfügung gestellt? Und da brüllte er nun mit auf
gesperrtem Mund und geballten Fäusten! Kein Zweifel, dem Kind fehlte etwas.
Sicher hatte es Bauchweh. Wenn Babys schreien, haben sie immer Bauchweh. Mit
nervösen Fingern durchsuchte Lämmlein das Babybuch nach Ratschlägen. Da hier: „Hilfreich
bei Leibschmerzen ist ein Kamillentee.“ Kamillentee!
    Lämmlein war ein gesunder Junggeselle.
Bei ihm gab es keinen Kamillentee. Wo sollte er mitten in der Nacht Kamillentee
hernehmen?
    Der Säugling schrie weiter mit
puterrotem Kopf. Es sah aus, als wolle er platzen, und Herrn Lämmlein wurde es
sehr bänglich zumute.
    Kamillentee!
    Herr Lämmlein befand sich zweifellos in
einer Notlage. Und in Notlagen ist vieles erlaubt. In Notlagen darf man gewiß auch durch die Wand gehen, wenn man das kann.
    Also verließ Herr Lämmlein seine
Wohnung und schlich durch die nächtlichen Straßen zur nächsten Drogerie. Dort
drang er durch die Mauer ein. Er war sehr lange nicht mehr durch Wände
gegangen, und er konnte sich nicht verhehlen, daß ihm das ein
wohlig prickelndes Gefühl verursachte.
    In dem dunklen Laden durchsuchte er die
Regale und Schubladen, bis er endlich Kamillentee roch. Er stopfte eine große
Tüte damit voll und nahm zur Sicherheit auch gleich noch einen Schnuller mit.
Das beruhigt, wie man sagt.
    In der Wohnung brüllte das Findelkind
noch immer aus Leibeskräften. Lämmlein bereitete eilig den Kamillentee, gab dem
Säugling davon zu trinken und steckte ihm zum Schluß noch den Schnuller in den
Mund.
    Da war das Kind still.
    Lämmlein konnte gerade noch dankbar an
seine nützliche Fähigkeit denken, dann sank er in seinem Sessel in unbequemen
Schlaf.
    Müde und zerschlagen nach dieser
gestörten Nacht ging er ins Büro. Der Bedienerin Fanny ließ er einen Zettel da:
    „Kind wird
nur noch heute versorgt.
    Ich gehe
zur Polizei.“
    Als
er am Abend nach Hause kam, hatte ihm Fanny geschrieben: „Unterlassen Sie das!
Kind bleibt hier!
    Sie
Unmensch!“
    Die zweite Nacht kam. Wieder lag der
Säugling im großen Bett und Herr Lämmlein kauerte im Sessel daneben. Der Rücken
tat ihm weh, sein Hals wurde steif, und er dachte neidvoll an seine weiche
Matratze, auf der das fremde Kind behaglich schlummerte.
    „Einen Waschkorb hätte ich kaufen
sollen! Kleine Kinder liegen doch oft in Waschkörben.“
    Zu dumm, daß ihm die wichtigsten Dinge
immer erst in der Nacht einfielen!
    Wenn er die Sache prüfte, mußte er
zugeben, daß er sich wieder in einer Notlage befand. Sein ganzes Leben war ja
eine einzige Notlage geworden durch dieses Findelkind.
    Lämmlein stand seufzend auf, suchte
eine Taschenlampe und ging auf seinen zweiten nächtlichen Einkauf. Beim
Korbflechter Just nahm er den größten Waschkorb mit, den er finden konnte. Dann
besuchte er noch kurz das Bettengeschäft „Schlafwohl“ und suchte eine passende
Matratze und eine weiche Wolldecke, übrigens versäumte er nicht, Geld für alle
seine nächtlichen Einkäufe in die Kasse zu legen.

    Als das Kind im Korb lag und er in
seinem Bett, machte ihm die ganze vertrackte Geschichte doch einen rechten
Spaß. Endlich war er zu etwas nütze mit seinem Durch-die-Wand-Gehen-können .
    Zum Glück entdeckte weder der
Korbflechter noch Herr Knopf vom Bettengeschäft „Schlafwohl“, daß jemand im
Laden gewesen war. Es waren ja keine Fensterscheiben eingeschlagen, die
Schlösser waren nicht aufgebrochen, und auch sonst hatte Herr Lämmlein bei seinem
nächtlichen Besuch keine Spuren hinterlassen. Nur der Drogist bemerkte, daß
überall im Laden Kamillentee verstreut war, und er schimpfte den Lehrling dafür
aus.
    Herr Lämmlein aber konnte endlich
wieder einmal ausschlafen, und wer gut schläft, kann gut nachdenken. Also
dachte Herr Lämmlein darüber nach, wie er herausfinden könne, wem das Kind
gehörte. So angestrengt dachte er nach, daß er fast wieder müde wurde. Aber
dann fiel ihm doch etwas Gescheites ein. Er setzte eine Anzeige in die
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