Mit deinen Augen

Zeitschriftencover, auf denen die gesündesten Menschen der Welt abgebildet sind. Ich sehe die Modelleisenbahn in ihrem Glaskasten, die bedächtig ihre Kreise zieht, an einem Modellstrand mit lauter steifen Modellbürgern. Ich laufe vor der Diagnose weg. Morgen bin ich bereit, sie zu hören.

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    Ich sage Esther, sie soll mit Fett sparsamer umgehen. Es besteht kein Grund, in Scotties Reis mit Huhn und Bohnen noch Schmalz zu geben. Ich werfe ihr vor, sie habe die Ernährungsblogs nicht gelesen. Ich meinerseits habe die Blogs gelesen. Ich weiß, was Scottie essen soll.
    Ich weiß inzwischen, wie der Haushalt funktioniert. Ich helfe mit, ich plane, was Scottie essen soll, wann sie schläft, was sie tragen, sehen, tun darf. Ich sage Sachen wie »Auszeit« und »Bis hierher und nicht weiter«, und ich trage ihr auf, sie soll die »Aufgabentür« studieren. Das ist meine Erfindung: eine Tür im Wohnzimmer, an der ihre wöchentlichen Pflichten angeschlagen sind. Irgendwie machen mir diese Sachen Spaß, und ich denke, Joanie wird staunen.
    »Ist gutes Fett«, sagt Esther. »Sie so dürr. Dieses Fett ist gut.«
    »Nein«, entgegne ich. »Es gibt zwar gute Fette, aber das hier gehört nicht dazu.« Ich deute auf die weiße Masse in der Pfanne, die langsam schmilzt, wie Wachs. Auf Eltern-Internetseiten habe ich gelernt, dass Maissirup, Nitrate und gehärtete Fette schlecht sind, während Soja gut ist, ebenso organische Produkte und Vollkorn. Ich habe außerdem erfahren, dass Scottie eine Wiederholungsimpfung für Keuchhusten und Meningitis braucht und dass es einen Impfstoff gegen HPV gibt, gegen diese Papillom-Viren, die Warzenbildung im Genitalbereich verursachen, was wiederum zu Gebärmutterhalskrebs führen kann. Empfohlen wird die Impfung als Vorbeugungsmaßnahme für junge Mädchen, ehe sie sexuell aktiv werden. Als ich das gelesen habe, erschrak ich so, dass ich mich sofort an einem Online-Chat über Impfungen beteiligte, wo ich aber von Taylorsmom zusammengestaucht wurde: Wir sollten sie beschützen, so gut wir nur können?! Ja, ScottiesDad, ich würde ihnen auch eine Impfung gegen Einsamkeit und Liebeskummer verabreichen lassen, wenn es so was gäbe, TYVM, aber es ist nicht dasselbe. Genitalwarzen sind keine Emotionen, sondern Warzen, und wir können sie verhindern .
    Ich musste Scottie fragen, was TYVM bedeutet, denn seit ich ihre Aktivitäten näher verfolge, fällt mir auf, dass sie dauernd damit beschäftigt ist, ihren Freundinnen zu simsen, oder jedenfalls hoffe ich, es sind ihre Freundinnen, denen sie schreibt, und nicht irgendwelche Perverslinge im Bademantel.
    »TYVM heißt Thank you very much «, erklärte Scottie, und schon war ich sauer, weil ich da nicht von selbst draufgekommen war. Es ist irre, was ein Vater heutzutage alles wissen soll. Ich komme aus einer Denkschule, zu der gehörte, dass man auf die Abwesenheit der Väter zählen konnte. Jetzt sehe ich die ganzen Männer mit ihren Camouflage-Windeltaschen und mit Babys, die vorn an ihrer Brust baumeln wie kleine Galionsfiguren am Bug eines Schiffs. Als ich ein junger Vater war, fühlte ich mich durch die Babymädchen eher gestört; daran kann ich mich deutlich erinnern, denn die ganze Welt stand Kopf, nur um es ihnen recht zu machen. Wenn ich Alex in ihrem Buggy sitzen sah, war ich manchmal richtig beunruhigt - sie legte eins ihrer Beinchen über den Schutzbügel und hockte so krumm und schief in ihrem Sitz! Und wenn Joanie ihr irgendetwas zu essen anbot, schüttelte sie den Kopf, aber wenn Joanie es immer wieder probierte, klappte es auf einmal, und Alex riss ihr das Zeug aus der Hand. Ich betrachtete die Kleine, die jetzt glücklich an ihrem kleinen Snackriegel knabberte, und es kam mir vor, als steckte in ihr ein erwachsener Mensch, der uns alle verarschte. Scottie zeigte immer auf irgendwelche Dinge und grunzte oder schrie dazu. Ich hatte den Eindruck, von lauter Königstöchtern umgeben zu sein. Ich sagte zu Joanie, ich müsse warten, bis die beiden älter seien, bevor ich mich ernsthaft auf sie einlassen könne, und tatsächlich wurden sie hinter meinem Rücken irgendwie immer größer.

    Esther summt, wie so oft. Unsere Küche ist ziemlich groß, aber mir erscheint sie winzig, sobald wir uns gemeinsam dort aufhalten. Esther ist klein und kugelrund und hat kein Gespür für die Ausmaße ihres Körpers; immer streift mich ihr Bauch an der Hüfte oder am Unterleib. Jetzt schneide ich Karotten und Selleriestangen, die Scottie dann in ein Schälchen