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Mit deinen Augen

Mit deinen Augen

Titel: Mit deinen Augen
Autoren: Kaui Hart Hemmings
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Besonderes bin und nicht nur ein Nachkomme besonderer Menschen.
    Ich habe Erbschaftsprobleme. Ich stamme aus einer dieser hawaiischen Familien, die ihr Geld damit verdienen, dass sie großes Glück hatten - und die entsprechenden Vorfahren. Meine Urgroßmutter war eine Prinzessin. Eine kleine Monarchie entschied, welches Land wem gehörte, und die Prinzessin bekam ein ziemlich großes Stück vom Kuchen. Mein Urgroßvater, ein weißer Geschäftsmann, also ein Haole, war ebenfalls sehr erfolgreich. Er war ein begabter Grundstückspekulant, ein talentierter Banker. Von diesen alten Transaktionen profitieren alle ihre Nachkommen bis heute, genauso wie die Nachkommen der Missionare auf Hawaii, die Nachkommen der Zuckerplantagenbesitzer und so weiter. Wir lehnen uns zurück und sehen zu, wie die Vergangenheit uns Millionen in den Schoß legt. Mein Großvater, mein Vater und ich rühren das Geld, das wir mit dem Fonds machen, kaum an. Ich konnte es noch nie leiden, dass öffentlich bekannt ist, wie viel ich besitze. Ich bin Anwalt, und ich gebe nur das Geld aus, das ich mit meiner Arbeit als Anwalt verdiene. Nicht meine Erbschaft. Mein Vater sagte immer, das sei richtig so, und am Schluss werde ich mehr Geld haben, das ich vererben kann. Ich mag Erbschaften sowieso nicht. Meiner Meinung nach sollte jeder wieder von vorne anfangen.
    Ich denke an Joy, an ihr vielsagendes Lächeln. Wahrscheinlich sollte ich in die Zeitung schauen, aber ich befürchte, sie hat etwas über die großen Erben gelesen - wie viel wir besitzen und welche Entscheidung wir diese Woche treffen müssen, beziehungsweise, welche Entscheidung ich treffe, da meine Stimme am meisten Gewicht hat. Ich bekomme etwa ⅛ des Fonds, während die anderen nur jekriegen. Bestimmt sind sie alle total begeistert.
    »Also gut«, sage ich zu Esther. »Mit den Albträumen können Sie noch warten, aber den Rest muss ich hören.« Ich denke, ich lerne jetzt noch ein bisschen etwas über meine Tochter, während wir das Mittagessen zubereiten, und dann kann ich mich heute Nachmittag dem King-Portfolio widmen. Ich werde einen Käufer auswählen, fertig, aus, basta.
    »Sie mag Handtaschen und tief sitzende Seventween-Jeans.«
    Esther lädt Reis, Bohnen und Huhn auf eine dampfende Tortilla. Ich löffle das Gemüse auf einen Teller, zu dem Truthahnsandwich. Um den Teller herum stelle ich drei kleine Schälchen mit drei verschiedenen Dips: Ranch, Mango Salsa und Mandelbutter. Esther beäugt die Mandelbutter, als wäre sie ein Punkt gegen sie.
    »Und?«, frage ich.
    »Und … ich weiß nicht. So vieles, was Sie wissen müssen! Sie mag viele Dinge, aber Sie müssen auch wissen, was sie nicht mag. Das dauert Monate! Selbst wenn Ihre Frau zurückkommt, weiß sie nicht viel.«
    Wir hören Scottie draußen auf dem Flur, und Esther senkt die Stimme. »Sie liebt es, wenn ich Mother Goose vorlese.«
    »Sie meinen das Bilderbuch mit den Kinderreimen?«
    »Ja. Das gefällt ihr. Manchmal lese ich denselben Reim immer wieder. Dann ist sie richtig fröhlich. Sie lacht vor Freude.«
    Ich frage mich, ob Scottie in ein Kleinkindstadium regrediert, wenn ihr solche Kinderreime gefallen.Wird sie dadurch an glücklichere und unschuldigere Zeiten erinnert?
    »Sie sollte lieber Bücher für junge Erwachsene lesen«, flüstere ich.
    »Sie liest, was ihr gefällt«, flüstert Esther zurück.
    »Nein. Ich finde, sie braucht Bücher mit einer Moral und Bücher, durch die sie lernt, was es heißt, eine erwachsene Frau zu sein, und nicht Reime über alleinstehende Mütter, die immer mehr Kinder bekommen und in einem alten Stiefel ein chaotisches Leben führen.«
    Wir sehen Scottie, und wir verstummen. Esther schiebt ihren Teller zu den Stühlen. Ich schiebe meinen Teller auch ein Stück weiter, und Scottie setzt sich auf einen Hocker, mustert uns beide und widmet sich dann dem Essen, das vor ihr steht.
    Sie nimmt die Enchilada in die eine Hand und beißt hinein. Mit der anderen Hand schreibt sie eine SMS an eine Freundin.
    Esther schaut mich an und lächelt. »Sie mag Schmalz.«

4
    Als ich mich in mein Zimmer zurückziehen will, um zu arbeiten, teilt mir Esther mit, dass Mrs. Higgins angerufen hat. Ich soll sofort zurückrufen. Sie wischt den Herd ab, kratzt mit dem Fingernagel einen hartnäckigen Fleck weg und knurrt dabei. Ich schwöre, sie tut es absichtlich, damit ich Mitleid mit ihr bekomme.
    »Wer ist Mrs. Higgins?«
    »Lanis Mutter.«
    »Wer ist Lani?«, will ich wissen.
    »Scotties Freundin. Ich
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