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Mit anderen Augen (German Edition)

Mit anderen Augen (German Edition)

Titel: Mit anderen Augen (German Edition)
Autoren: Kerstin Kroll
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wie ich einen Menschen danach beurteilen sollte. Jannik hat hellbraunes Haar, dunkelblaue Augen und hohe Wangenknochen. Ob das schön ist, weiß ich nicht.
    Rein körperlich gesehen ist er ebenso ein Durchschnittstyp wie ich, allerdings weit weniger trainiert. Wenn er mich ansieht, kann ich das im Gegenzug genauso tun und Jannik ist für seine Größe zu dünn.
    Ich bin 1,85m groß und wiege 84kg. Das weiß ich so genau, weil ich auf meinen Körper achte und ihn trainiere, um in Form zu bleiben. Ein Auftragskiller, der nach einem Sprint von hundert Metern atemlos zusammenbricht, bekommt keine Kopfprämien von zehn Millionen Dollar gezahlt. Jannik ist laut meiner gesammelten Daten 1,80m groß und wiegt schätzungsweise 60 bis 65 kg. Vielleicht verwächst sich das mit der Zeit, er ist ja erst einundzwanzig. Aber außer seinem Gesicht gibt es nichts, was an ihm besonders auffällig wäre. Was Jannik an mir also schön findet, ist mir ein Rätsel.
    Mir kommt ein Gedanke. „Bist du schwul?“
    Jannik nickt. „Hast du ein Problem damit?“
    Habe ich eins? Nein. Aber es erklärt, warum er mich 'schön' findet. „Solange du deine Finger bei dir behältst, nein.“
    „Kein Problem. Ich steh' nicht auf Ältere“, kontert er lässig und ich kann nicht anders als grinsen, was Jannik mit einem staunenden Blick kommentiert, als er es bemerkt. „Du kannst ja lächeln. Wow.“
    „Für so ein Küken hast du eine ganz schön große Klappe.“
    Seine Antwort ist ein weiteres Schulterzucken, dann sieht er mich wieder eine Weile an.  „Wie alt bist du?“
    „Älter als du.“
    Jannik verdreht seufzend die Augen. „Das ist unübersehbar, du hast schließlich graue Haare an den Schläfen. Also? Wie alt?“
    „Fünfunddreißig.“
    „Nicht schlecht“, murmelt er hörbar erstaunt.
    Damit habe ich ihn offenbar überrascht. „Soll heißen?“
    Er grinst verlegen und kratzt sich an der Nase. „Ich habe gelesen, die meisten Auftragskiller sind spätestens mit Dreißig tot.“
    Das stimmt. Es trifft allerdings nur auf die zu, die gerne auf Risiko spielen und glauben, dass sie unbesiegbar wären. „Nicht alle.“
    „Scheint so.“ Bob maunzt und Jannik schlägt die Bettdecke zurück. Er hält inne, als er meinen warnenden Blick bemerkt. „Was ist? Bob hat Hunger.“
    „Es ist mitten in der Nacht“, wende ich irritiert ein und Jannik stöhnt genervt.
    „Versuch' du mal mit Fieber und schwankenden Wänden vom Bett in die Küche zu kommen. Ich habe ihn die letzten paar Tage nur sehr unregelmäßig gefüttert, deswegen hat er jetzt Hunger.“
    Verständlich, wenn man Janniks Zustand bedenkt. „Bleib liegen, ich mache das.“
    „Du weißt doch gar nicht...“
    „Küche. Im Schrank unter der Spüle“, unterbreche ich ihn, denn ich weiß sehr wohl, wo das Katzenfutter für Bob zu finden ist. Ich habe die Wohnung bei meinem ersten Einbruch schließlich mehr als gründlich durchsucht.
    „Arsch“, murrt Jannik, deckt sich aber wieder zu.
    Er scheint mich sehr gerne zu beleidigen, sobald ihm die Argumente ausgehen. Ich sollte das nicht so lustig finden, wie ich es tue. Genauso wenig sollte ich Kater Bob soviel Aufmerksamkeit schenken, aber ich mag das schwarze Fellknäuel und er mag mich ebenfalls. Genug sogar, um sich von mir füttern zu lassen. Ich sehe ihm kurz beim Fressen zu und gehe dann ins Schlafzimmer zurück, wo Jannik sich mittlerweile wieder hingelegt hat. Eine gute Gelegenheit zu verschwinden.
    „Hey!“, ruft Jannik mir leise nach, als ich gerade die Schlafzimmertür hinter mir zuziehen will. „Hast du eigentlich einen Namen?“
    Diese Frage musste irgendwann kommen. „Jeder hat einen Namen, Jannik Whistler“, weiche ich einer Antwort aus und Jannik seufzt.
    „Na gut, dann nenne ich dich ab sofort Mister X.“
    Ich bleibe verdutzt stehen. Wie kommt er denn darauf? „Mister X?“
    „Irgendwie muss ich dich nennen, oder soll ich dir immer nur 'Hey' oder 'Killer' hinterher rufen?“
    Er soll mir gar nichts hinterher rufen. Das dürfte allerdings Utopie sein, denn ich bin ehrlich genug mir einzugestehen, dass ich nicht das letzte Mal hier war. Also kann ich Jannik genauso gut eine Antwort auf seine Frage geben. „Mein Name ist Zachary.“
    „Wieso bin ich noch am Leben, Zachary?“, will er als nächstes wissen und darauf habe ich keine Antwort, denn ich weiß es nicht.
    Ich weiß viele Dinge nicht und ich sollte wirklich langsam anfangen, mir darüber klarzuwerden, was das zwischen uns eigentlich ist. Was mich
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