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Mit anderen Augen (German Edition)

Mit anderen Augen (German Edition)

Titel: Mit anderen Augen (German Edition)
Autoren: Kerstin Kroll
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an ihm fasziniert. Was der Grund dafür ist, dass ich zum vierten Mal in seine Wohnung eingestiegen bin und ihm geholfen habe, statt ihn zu töten. Was mich gerade dazu gebracht hat, ihm meinen Namen zu verraten und zwar den richtigen Namen. Den Namen, der in meiner offiziellen Geburtsurkunde steht.
    Ich habe in letzter Zeit einen Fehler nach dem anderen gemacht und ich weiß einfach nicht warum. „Ich weiß es nicht.“
     
    In meiner Wohnung erwartet mich eine neue Mail, vermutlich mit einem Job. Ich ignoriere sie, bis ich etwas gegessen und geduscht habe. Wer mich mitten in der Nacht anschreibt, hat entweder ein dringendes Problem oder sitzt in einer anderen Zeitzone als ich.
    Dieses Mal ist es Ersteres.
    Ich wünschte, es wäre die Zeitzone gewesen.
    Die Yakuza erledigt ihre Problemkinder allgemein gern selbst. Doch es gibt Ausnahmen. Richard Whistler war so eine. Warum? Die Frage habe ich nicht gestellt und ich werde sie auch nicht stellen. Genauso wenig werde ich fragen, aus welchem Grund sie Jannik Whistler tot sehen wollen. Ich kann es mir denken. Er ist der Erbe seines Vaters. Noch dazu ein schlauer Kopf, der es mit einer richtigen Förderung weit bringen könnte. Ihn umzubringen ist die leichteste Möglichkeit an die Firma seines Vaters zu kommen, denn weder Mutter noch Schwester haben Ambitionen sie zu übernehmen. Das wird die Yakuza wissen, deshalb soll der Junge weg.
    Whistler Enterprises ist ein großes Im- und Exportunternehmen mit Verbindungen in der gesamten Welt. Sehr lohnend für die Yakuza, die ihre Finger garantiert schon nach den Vorstandsmitgliedern der Firma ausgestreckt hat. Man wird Whistlers Witwe und seine Tochter mit großzügigen Ausgleichszahlungen ruhigstellen und damit problemlos durchkommen, nachdem was ich von ihnen weiß. Jannik ist allerdings ein anderes Kaliber. Wie gesagt, im Moment ist er naiv und hat keine Ahnung. Aber das könnte sich ändern und deswegen liegt mir jetzt dieses Angebot von 5 Millionen Dollar auf dem Tisch.
    Wenn ich ablehne, wird ein anderer Killer den Auftrag übernehmen. Wenn ich ihn annehme, muss ich Jannik töten, was ich nicht will.
    Ich habe noch nie einen Unschuldigen getötet und in meinen Augen ist er unschuldig. Er hat sich im Gegensatz zu all den anderen Opfern meiner Karriere niemals etwas zu Schulden kommen lassen. Wenn ich Jannik töte, verstoße ich gegen eine meiner eigenen Prinzipien.
    Das muss der Grund für das alles sein. Deshalb konnte ich ihn nicht anrühren, obwohl er ein Zeuge ist.
    Ich stecke wirklich bis zum Hals in der Tinte.
    Mich nach hinten lehnend, atme ich tief durch, um zu überlegen, was ich jetzt tun soll. Aber die Abneigung ändert sich nicht. Ich will ihn nicht umbringen. Alles in mir sträubt sich dagegen, Jannik zu töten, doch wenn ich es nicht tue, macht es ein Anderer. Ganz egal, wie ich es drehe und wende, am Ende wird Jannik tot sein. Es sei denn, ich sage ihm die Wahrheit und lasse ihn verschwinden, denn die Cops werden ihn niemals beschützen können. Die Polizei mag gute Männer haben, aber gegen die Yakuza ist kein Kraut gewachsen.
    Zeugen sterben oder haben Gedächtnislücken. Verhandlungen vor Gericht kommen nicht zustande, weil es keine Leichen gibt. Beweise verschwinden oder gehen auf sonderbare Weise für immer verloren. Von den Finanzgeschäften, Bestechungen, Schutzgelderpressungen, dem Menschenhandel, der Prostitution und all den anderen illegalen Dingen, in denen die Yakuza ihre Finger drin hat, will ich gar nicht erst anfangen. Es ändert nichts an der Tatsache, dass dieser Auftrag einem Todesurteil für Jannik gleichkommt.
    Das werde ich verhindern.
    Jannik hat sein gesamtes Leben noch vor sich. Er wird nicht mit dreiundzwanzig Jahren zum Mörder werden und er wird auch keine Karriere als Auftragskiller starten. Er hat etwas Besseres verdient als das. Ich habe in meinem bisherigen Leben nie den Gedanken gehabt, ein Opfer schützen zu müssen, bis Jannik anfing, hinter mir her zu schnüffeln. Ich habe zwölf Jahre lang Menschen für Geld getötet und zwar ohne mit der Wimper zu zucken. Vielleicht ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um mich nach einem neuen Job umzusehen, sofern ich die nächsten Wochen überlebe.
    Ich muss vollkommen verrückt sein darüber nachzudenken, aber die Entscheidung ist gefällt. Ich werde den Job annehmen, das verschafft mir ausreichend Zeit, mit Jannik zu verschwinden. Er braucht neue Papiere und ein anderes Aussehen. Kurz gesagt, er braucht ein neues Leben.
    Die USA sind
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