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Mit anderen Augen (German Edition)

Mit anderen Augen (German Edition)

Titel: Mit anderen Augen (German Edition)
Autoren: Kerstin Kroll
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ich nicht auch habe. Also los, ausziehen. Ich drehe mich um, aber ich bleibe hier.“
    „Arsch“, murmelt er, als ich ihm den Rücken zugedreht habe, was mich grinsen lässt.
    Gut, dass er das nicht sehen kann, und nochmals gut, dass ich bei ihm geblieben bin, denn er stützt sich nach dem Aufstehen an meiner Schulter ab, um in die Wanne zu klettern. „Geht es?“
    „Ja.“ Das Wasser plätschert. „Scheiße, das ist ja kalt“, flucht er im nächsten Moment lauthals und ich kann mir ein Lachen nur schwer verkneifen.
    „Was hast du denn erwartet? Dass ich dich mit Kreislaufproblemen und Fieber ein heißes Bad nehmen lasse? Außerdem ist es nicht kalt, sondern lauwarm, und jetzt setz' dich hin und lehn' dich zurück. Mit dem Erkältungsbad sollst du nur ein paar Minuten im Wasser bleiben.“
    „Sadist“, knurrt er, tut aber, was ich gesagt habe, denn als ich mich umdrehe, lehnt er sich gerade zurück.
    Bob maunzt leise und springt neben mir auf den Wannenrand. Ich streichle ihm über den Kopf. „Pass' auf, dass er keinen Blödsinn macht, okay?“
    „Pfft“, kommt von Jannik, was mich nun wirklich grinsen lässt, bevor ich ihn alleinlasse, um das Bettzeug zu tauschen und durchzulüften, damit er nachher besser schlafen kann.
     
    „Warum tust du das?“, fragt er, als ich ihn zurück ins Bett verfrachtet habe, was eine gute Frage ist, denn ich stelle sie mir schon die ganze Zeit.
    Ich glaube, eine Gegenfrage ist die beste Antwort. „Warum nicht?“
    Jannik stöhnt, sagt aber nichts weiter dazu, was auch besser ist. Ich will darüber nicht nachdenken, warum ich das hier tue, denn ich habe immer mehr das Gefühl, das mir die Antwort nicht gefallen wird. Ich habe mich noch nie um jemanden gekümmert. Ich war mir nicht mal sicher, dass ich weiß, wie das geht. Vielleicht habe ich es von meiner Mutter geerbt. Sie hat Wert auf eine gute Erziehung gelegt, daran kann ich mich noch erinnern. Sie hat mir beigebracht, dass man zu anderen Menschen nett und höflich ist.
    Viel daraus gemacht habe ich nicht, wenn man bedenkt, was aus mir geworden ist. Es reicht allerdings, dass ich mich um Jannik kümmere. Warum auch immer.
    „Du bist schön.“
    Ich sehe ihn verblüfft an. „Was?“
    Jannik grinst schief. „Für einen Mörder, meine ich.“ Er zuckt mit den Schultern, als ich mir mit dem Finger bedeutsam gegen die Stirn tippe. „Ich dachte immer, ihr hättet Narben oder wärt hässlich oder was weiß ich.“
    „Wie kommst du denn auf so einen Quatsch?“
    „Keine Ahnung“, antwortet er und mustert mich ungeniert.
    Ich weiß zwar nicht, was an mir interessant ist, aber ich lasse ihn schauen. Schwarzes Haar und braune Augen gibt es überall auf der Welt. Dasselbe gilt für meine Arbeitskleidung. Schwarz. Von Kopf bis Fuß. Vermutlich ist es ohnehin nur mein Job, der ihn fasziniert, nicht die Person. Er wäre der Erste, der sich nicht für den Killer interessiert, sondern für den Menschen dahinter, der nicht nur aus Namen und Nummern besteht.
    In letzter Zeit denke ich zuviel nach, wird mir klar, während Jannik mich weiterhin mustert. Bevor ich ihn kannte, wäre ich nicht auf die Idee gekommen mich zu fragen, was ein anderer Mensch über mich denkt, wenn er mich ansieht. Ich vermeide ohnehin den Kontakt zu Menschen. Außerdem habe ich gelernt unscheinbar zu sein. Auf der Straße, beim Einkaufen und den täglichen Dingen, die für ein Leben notwendig sind, sehen die Menschen einen an und vergessen einen im nächsten Augenblick sofort. Sehr praktisch für mich, denn wenn mein Gesicht bekannt würde oder so auffällig wäre, dass sich die Leute nach mir umdrehen, könnte ich meinen Job nicht machen.
    Das Problem habe ich mit meinem Allerweltsgesicht nicht. Ich gehe als Russe genauso durch wie als Europäer oder Südamerikaner. Nur in Asien würde ich auffallen. Meine falschen Identitäten beschränken sich daher auf europäische und amerikanische Namen mit einem entsprechenden Hintergrund. Aber das wird ihn nicht interessieren und selbst wenn, würde ich Jannik nichts darüber erzählen. Er weiß ohnehin schon zuviel und da er jetzt mein Gesicht kennt, steht fest, wie unsere Bekanntschaft enden wird.
    Nein, wie sie enden muss. Mit seinem Tod.
    Eigentlich schade. Im Gegensatz zu mir hat er ein Gesicht, dem man eher hinterher sieht. Ich weiß nicht, ob man ihn schön nennen kann, davon habe ich keine Ahnung. Außerdem, was bedeutet das schon, schön zu sein? Das Wort definiert ohnehin jeder anders. Ich wüsste nicht,
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