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Mit 50 hat man noch Träume

Mit 50 hat man noch Träume

Titel: Mit 50 hat man noch Träume
Autoren: Bärbel Böcker
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gemacht hatte und nach einem langen
Spaziergang auf dem Rotweinwanderweg dort eingekehrt war. Es befand sich gegenüber
der Kirche, und es lag direkt am Fluss. Nach hinten hinaus, an der Uferpromenade,
gab es einen idyllischen Garten, wo ein paar Tische und Stühle herumstanden, und
sie hatten es sich trotz der unübersehbaren Schmuddeligkeit des Betriebs bei einem
Glas Wein und einer Schinkenplatte gut gehen lassen. Der Platz war einfach herrlich,
und nun suchte das ›Ahrstübchen‹ einen neuen Pächter. Es musste so etwas wie Vorsehung
sein.
    Bea hatte
mit ihren Freundinnen gesprochen, denn Grund genug, etwas Neues zu beginnen, hatte
jede von ihnen. Aus der Idee, ihr Leben in Köln hinter sich zu lassen und gemeinsam
das Ruder noch einmal herumzureißen und etwas völlig Neues zu planen, war innerhalb
weniger Wochen Ernst geworden.
    »Wow!«,
hatte Bruni voller Verve gerufen, als sie alle zusammen das ›Ahrstübchen‹ besichtigt
hatten. »Da kann man was draus machen.« Es war, als habe sie schon lange nur auf
den nötigen Impuls zur Veränderung gewartet. Als Dozentin für Philosophie an der
Uni Köln musste sie mangels Lehraufträgen hin und wieder von Hartz IV leben, was
dazu führte, dass sie sich schon seit Längerem mit dem Gedanken trug, beruflich
noch einmal etwas anderes zu versuchen. »Mit 50 sollte jede Frau noch einmal neu
durchstarten. Ich freue mich aufs Landleben!«, erklärte sie überschwänglich jedem,
dem sie von dem Vorhaben berichtete.
    Ulrike,
die seit der Geburt ihrer zwei inzwischen erwachsenen Söhne nicht mehr in ihrem
Beruf als Hotelfachfrau gearbeitet hatte und im Augenblick von ihnen allen am schlechtesten
dran war, weil ihr Mann sie offenbar jahrelang betrogen und belogen hatte, sah im
›Ahrstübchen‹ die Chance, Abstand zu gewinnen. Zu Claus zurückzukehren schien ihr
momentan unvorstellbar. Unwillkürlich musste Bea seufzen. Immerhin waren ihre beiden
Söhne erwachsen. Ulrike tat ihr unendlich leid.
    Sie und
die Freundinnen hatten hin und her gerechnet, wie sie das Projekt ›Ahrstübchen‹
finanziell stemmen könnten, und Bea, die über das meiste Geld verfügte, hatte sich
bereit erklärt, 50 Prozent der Investitionskosten zu übernehmen. Caro trug 35 Prozent
der Kosten und Ulrike 10 Prozent. Sie kündigte einen alten Sparvertrag, von dem
ihr Mann nichts wusste, und war heilfroh, ihn vor Jahren ›für den Notfall‹ einmal
abgeschlossen zu haben. Bruni stieg mit nur 5% in das Projekt ein, aber da sie von
dem wenigen, das sie verdiente, in den Semesterferien immerhin noch Fernreisen nach
Asien unternahm, hatte sie nicht allzu viel zurückgelegt. Die anderen störte es
nicht. Der Traum, gemeinsam noch einmal neu durchzustarten und auf die Frage Soll
das etwa alles gewesen sein? , die so viele Frauen um die 50 beschäftigte, eine
einhellige Antwort gefunden zu haben, ließ jedes Ungleichgewicht zur Lappalie werden.
    Sie hatten
nicht lange um den Pachtzins feilschen müssen und waren sich mit dem Eigentümer,
einem wohlhabenden Weinbergbesitzer aus Altenahr, schnell einig geworden. Dann hatten
sie ihre Angelegenheiten in Köln geregelt, einen Vertrag mit einer Bierbrauerei
aus der Eifel geschlossen, und als alles unter Dach und Fach war, konnten sie damit
beginnen, sich um die Einrichtung des ›Ahrstübchens‹ zu kümmern. Mittlerweile kannten
sie beinahe jedes Möbelhaus in Köln und in der Eifel, und die schlichten Eichentische
und Holzstühle, die sie schließlich für den Gastraum ausgesucht hatten, waren inzwischen
bereits geliefert worden.
    Und jetzt
war es so weit. Der Tag des Umzugs war da. Der Schlüssel vom ›Ahrstübchen‹ baumelte
am Rückspiegel von Beas mit Koffern voll beladenem Cabrio im Fahrtwind hin und her,
und sie fühlte sich so frei und glücklich wie schon lange nicht mehr. Jeglicher
Erkältungsgefahr zum Trotz fuhr sie mit offenem Verdeck die B 257 entlang und genoss
die Aussicht. Der Geruch von Kuhmist stieg ihr in die Nase. Sie war immer schon
der Meinung gewesen, dass es mit zu den schönsten Dingen im Leben zählte, beim Cabriofahren
die Welt zu riechen. Bea sog die Luft tief in ihre Lungenspitzen. Während die Eifellandschaft
an ihr vorbeizog, kamen ihr Bilder aus Köln in den Sinn.
    Der Abschied
war keiner von ihnen allzu schwer gefallen. Außerdem waren 65 Kilometer keine unüberwindbare
Entfernung, und wenn sie vom Landleben zwischendurch genug haben sollten, waren
sie mit dem Auto in einer Stunde in Köln.
    Sie dachte
an ihre Tochter
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