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Mit 16 tanzt man in das Leben

Mit 16 tanzt man in das Leben

Titel: Mit 16 tanzt man in das Leben
Autoren: Tina Caspari
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nicht für möglich gehalten!
    Dann war er in das Nebenhaus gezogen. Sie hatten zusammen sein Zimmer eingerichtet, und von da an waren sie ständig zusammen gewesen. Nun ja, ständig...insoweit sie nicht beim Training in der Ballettschule war, oder auf den Proben. Oder unterrichtet hatte.
    Viel Zeit hatte sie wirklich nicht für ihn gehabt, und wenn, dann hatte er ihr bei den Hausaufgaben helfen müssen, Übersetzungen für sie machen, die sie selbst aus Zeitmangel nicht geschafft hatte, Matheaufgaben...
    Was hatte er eigentlich in den vielen Stunden getrieben, in denen sie getanzt hatte? Katja wußte es nicht. Sie wußte es genausowenig, wie sie wußte, wofür er sich interessierte, was für Bücher er las, welche Musik er liebte und welche Zukunftsträume er hatte. Sie hatte nie Zeit gehabt, ihm zuzuhören, sich nach seinen Interessen zu erkundigen. Sie hatte immer nur von sich geredet und war dankbar gewesen, daß er so gut zuhören konnte. Aber warum hatte sie nie ihm zugehört?
    „Ich wünschte, er wäre jetzt hier, verdammt noch mal!“ sagte sie laut.
    Sie hatte es sich nicht eingestehen wollen, aber er fehlte ihr. Sie sehnte sich nach seiner Nähe, nach seiner Stimme, seinem Lachen, seiner Ruhe, seinen Spötteleien. Anderthalb Jahre lang hatte Klaus sich um sie bemüht, und sie hatte ihn aus lauter Egoismus immer wieder zurückgewiesen. Hatte ihn ausgenützt, wenn sie seine Hilfe brauchte und ihn benutzt wie einen Gegenstand, der einem gehört und den man deshalb für selbstverständlich hält. Jetzt war es zu spät. Klaus hatte endgültig aufgegeben und sich ein Mädchen gesucht, das Zeit für ihn hatte, das ihn bewunderte und ihm zuhörte.
    „Komm, Hermann, wir gehn nach Hause. Du bist jetzt mein einziger Freund“, flüsterte Katja und konnte nicht verhindern, daß eine Woge von Selbstmitleid in ihr hochschwemmte, obgleich sie doch wußte, daß das, was geschehen war, allein ihre Schuld war.
    Ob sie mit jemandem darüber reden sollte? Aber mit wem?
    Mit Mami? Oder Papi? Nein, die würden sie mit einer solchen Ladung Kritik überschütten, dazu hatte sie wirklich keine Lust! Vorwürfe machte sie sich selber genug, die brauchte sie nicht von anderen zu hören.
    Sie würde mit Petra reden. Aber was sollte sie sagen? „Du, ich habe den Klaus so lange schlecht behandelt, bis er mir endlich den Rücken gedreht hat, und nun merke ich, daß ich ohne ihn nicht auskommen kann - wie kann ich das alles rückgängig machen und von vorn beginnen?“ Ziemlich albern. Trotzdem, sie mußte es versuchen.
    Am nächsten Tag verabredete sie sich mit Petra zu einem Spaziergang.
    „Spaziergang?“ Petra war wenig begeistert. „Ich finde, wir haben mit einer Stunde Ballett und einer Stunde Jazz-Tanz genug Bewegung.“
    „Ach komm, ein bißchen frische Luft wird dir guttun. Und außerdem muß ich Hermann bewegen, damit er nicht fett wird.“
    „Na schön.“
    Aber irgendwie wollte das Gespräch mit Petra nicht in Gang kommen. Sie alberte mit Hermann herum, erzählte Erlebnisse aus dem Sommer und von dem, was Stefan ihr heute geschrieben hatte, und daß sie Weihnachten mit ihrer Mutter nach Tirol fahren würde, so daß Katja es immer schwieriger fand, von ihren eigenen Sorgen zu reden.
    „Du hast es gut“, seufzte sie, „du hast Stefan und weißt, daß du zu ihm gehörst. Ich habe meine Chance, einen Freund zu haben, gründlich verpatzt!“
    „Warum so melodramatisch? Du hast doch noch nie einen gewollt! Der Richtige wird schon irgendwo auf dich warten. Sieh mich an: eines Tages stand er vor mir, und ich wußte sofort — der ist es!“
    „Vor mir hat auch einer gestanden, und daß es der Richtige ist, habe ich erst kapiert, als er mit einer anderen weg war.“
    „Dann war es auch nicht der Richtige“, sagte Petra lachend und begann, von etwas anderem zu reden.
    Katja ging es von Tag zu Tag schlechter. Es war wie verhext - als ob alles in ihrem Leben durcheinandergeraten sei. Verbissen klammerte sie sich an ihre Arbeit, und in der Schule hatte sie rasch aufgeholt. Aber ihre schlechte Laune, ihr Trübsinn und ihre Verschlossenheit zogen ständig Auseinandersetzungen nach sich. Es war, als sei sie vorübergehend in ihre alte Haut geschlüpft, in die der ruppigen, von Minderwertigkeitskomplexen verfolgten Bohnenstange mit der häßlichen Zahnspange.
    Frau Künzel spürte das. Frau Künzel besaß Röntgenaugen -sie konnte ihren Schülerinnen bis auf den Grund der Seele schauen. Und sie konnte zwei und zwei
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