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Mit 15 wachsen einem Flügel

Mit 15 wachsen einem Flügel

Titel: Mit 15 wachsen einem Flügel
Autoren: Tina Caspari
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Arbeit: Die Sänger studieren ihre Partien ein, ebenso der Chor; das Orchester probt die neue Partitur; Schreiner, Schlosser und Maler beginnen in den Werkstätten mit dem Bau des Bühnenbilds; in der Schneiderei werden die Kostüme gefertigt; in der Maskenbildnerei die Perücken geknüpft und Masken angefertigt — und schließlich im Ballettsaal die Choreographie festgelegt und geprobt.“
    „Du hast was vergessen“, sagte Katja grinsend. „In den Büros wird um die höchste Gage gestritten!“
    „Manchmal auch das, ja. Aber nicht nur: Vor allem werden dort natürlich die Spieltermine festgelegt und um Probentermine verhandelt. Eine mühsame Arbeit, wenn in einer Inszenierung berühmte Gäste von außerhalb beschäftigt sind.“ Während Janos erzählte, hatte er Katja in eine ganze Reihe verschiedener Räume schauen lassen, Künstlergarderoben,
    Musikzimmer, Maskenbildnerei und Werkstätten. Jetzt öffnete er eine Eisentür, die auf die Bühne führte. Hier begann man gerade damit, das Bühnenbild für die Abendvorstellung aufzubauen. Katja ging unwillkürlich auf Zehenspitzen. Janos begrüßte einen Mann im Arbeitskittel und wechselte leise ein paar Worte mit ihm. Der schaute zu Katja herüber und nickte. Katja legte den Kopf in den Nacken und schaute nach oben. Was für ein Gewirr von Stangen, Seilen und Lampen! Gerade schwebte eine ägyptische Landschaft auf die Bühne hinunter, Podeste schoben sich wie von Geisterhand bewegt von unten herauf. Janos zog Katja in den Hintergrund der Bühne.
    „Siehst du, so sieht die Geschichte von hinten aus. Nichts als Sperrholz, Leinwand, Pappe — und Staub.“
    „Ich find’s himmlisch! Und wie das riecht — einfach aufregend! Hier stehst du also am Abend und wartest auf deinen Auftritt.“
    „Ja, und bei einer Premiere mit einem saumäßigen Gefühl in der Magengrube und dem heißen Wunsch, tausend Kilometer entfernt in einer verborgenen Höhle zu sitzen.“
    „Du hast Lampenfieber, wirklich? Das hätte ich bei dir nie gedacht!“
    Janos lachte. „Hast du eine Ahnung! Komm, jetzt zeige ich dir noch die Beleuchterbrücke. Das ist die reinste Orgel, du wirst staunen!“
    Endlich landeten sie im Ballettsaal. Janos stellte Katja ein paar Kollegen vor, die bereits zur Probe erschienen waren. Katja schaute sich um. Wie anders war hier alles als in der Ballettschule. Der große, hohe Raum, die Spiegel...
    „Setz dich hier in die Ecke, da störst du niemanden und kannst alles sehen. Ich muß mich jetzt umziehen.“ Janos führte sie zu einem Stuhl. „Da kommt Knut Holmar, er muß heute abend für einen erkrankten Kollegen eine Rolle übernehmen. Paß schön auf, vielleicht kannst du jemandem einen Trick abschauen“, fügte er augenzwinkernd hinzu.
    „Na, ich fürchte, es gibt keine Tricks beim Tanzen. Das wäre zu schön um wahr zu sein. Ich hab jedenfalls bis jetzt immer feststellen müssen, daß Tanzen zu hundert Prozent aus harter Arbeit besteht“, seufzte Katja.
    Immer mehr Tänzer betraten den Raum und gingen an die Stangen, um ihre Körper für die Arbeit geschmeidig zu machen. Wie lächerlich stümperhaft wirkte dagegen alles, was sie in der Schule machten. Katja wurde ganz mutlos, wenn sie an die Proben für ihren Tanzabend dachte. Jetzt begriff sie, warum Janos nicht bei ihnen auftreten wollte.
    Der Ballettmeister erschien und ging auf Katja zu. Katja sprang auf und wurde rot wie ein kleines Mädchen.
    „Bleib doch sitzen. Janos hat mir gesagt, daß du zuschauen möchtest. Du sollst begabt sein! Na, vielleicht können wir dich eines Tages in unseren Reihen begrüßen, wie?“
    Katja brachte kein Wort heraus.
    „Helga ist noch nicht da. Laß sie doch mittanzen, dann haben wir gleich einen Ersatz“, witzelte einer der Tänzer im Hintergrund.
    Katjas Gesicht bekam die Farbe eines frisch gekochten Krebses. Verwirrt ließ sie sich auf ihren Stuhl fallen. Sie ärgerte sich über ihre Hemmungen und versuchte, möglichst überlegen zu wirken, indem sie die Beine übereinanderschlug und sich lässig nach hinten lehnte.
    Der Ballettmeister klatschte in die Hände und begann dem Ersatzmann für die Abendvorstellung Schritte und Stellungen des Tanzes zu erklären. Bald war die Probe in vollem Gange und keiner beachtete Katja mehr, die wie gebannt auf ihrem Platz saß und jedem Wort, jeder Bewegung folgte.
    „Komm, ich bring dich zur S-Bahn. Ich habe noch eine Stunde Zeit“, sagte Janos, als die Probe zu Ende war und die Tänzer in die Garderobe gingen, um sich
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