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Misterioso

Misterioso

Titel: Misterioso
Autoren: Arne Dahl
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nicht. Es wird anders sein, und wir werden andere Menschen sein. Mein Leben steckt momentan in einer unentschiedenen Phase.«
    Ihr Blick ruhte unverwandt auf ihm. »Ist das ein Nein?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Eher ein Vielleicht. Vielleicht werde ich dich ganz fürchterlich brauchen. Ich hab das Gefühl, es wird so sein.«
    »Okay«, sagte sie. »Ich muss jetzt auf alle Fälle erst einmal nach Göteborg und eine Menge Sachen erledigen. Ich ruf dich an wenn ich zurückkomme.«
    »Ruf mich schon vorher an«, sagte er.
    Sie küssten sich. Es fiel ihnen nicht leicht, sich zu trennen.
    Sie strich über seine Wange. »Heute sieht der Pickel aus wie ein Herz.«
    Er ging zu seinem Büro. Als er die Tür aufmachte, schlug ihm der herbe Duft von frisch gemahlenem, frisch gebrühtem kolumbianischen Kaffee entgegen.
    »Hast du noch Zeit für eine letzte Tasse?« fragte Chavez.
    »Was soll das heißen: letzte?« fragte Hjelm zurück und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. »Ich hab eine Kaffeemühle und säckeweise Bohnen gekauft.«
    »Kanakenkaffee«, sagte Chavez.
    »Aber klar doch«, sagte Hjelm.
    Sie lachten. Über alles und nichts.
    Hjelm erledigte noch ein paar Kleinigkeiten, ehe er den Dienstwagen zurückgab. Er fuhr zum Waldfriedhof und nahm, im Regen und hinter ein paar Baumstämmen verborgen, an Dritero Frakullas Beerdigung teil. Die Witwe weinte laut und heftig, und er fühlte sich wie ein Schwein. Ihre kleinen, schwarzgekleideten Kinder hingen ihr am Rockzipfel. Ein ganzes Wohnviertel ebenso schwarz gekleideter Kosovoalbaner folgte Frakulla durch den strömenden Regen zu seiner letzten Ruhestätte.
    Hjelm in seinem Versteck fragte sich in einem Anflug von Pathos, wie viele Leute wohl zu seiner Beerdigung kommen würden. Vielleicht würde Cilla sich ja für eine halbe Stunde aus ihrer Krise losreißen, dachte er kindisch.
    Göran Andersson lebte, Dritero Frakulla war tot. Ein paar Sekunden dachte er über Gerechtigkeit nach. Dann fuhr er nach Märsta.
    Roger Palmberg öffnete die Tür mit Hilfe eines ferngesteuerten Mechanismus’. Wie er in seinem Rollstuhl saß, sah er aus
    wie ein Haufen amateurhaft zusammengesetzter Körperteile. Aber hinter seinem schiefen Äußeren war ein Lächeln zu erahnen.
    »Haben Sie es geschafft?« fragte die elektronische Sprechvorrichtung.
    »Wir haben es geschafft«, antwortete Paul Hjelm und erzählte ihm die ganze Geschichte von A bis Z. Das dauerte ein paar Stunden. Palmberg hörte aufmerksam zu und warf nur hier und da eine spitzfindige Frage ein, wenn er eine Lücke im Gedankengang oder eine zu nachlässig zusammengefasste Passage bemerkte. Davon gab es mehrere.
    »Das ist ja unglaublich«, sagte die elektronische Stimme, als Hjelm geendet hatte. »Man könnte meinen, Sie hätten sich das Ganze nur ausgedacht.«
    »Ich hab mein Herz befragt«, erwiderte Hjelm und lachte.
    Später hörten sie sich Thelonious Monk an, wobei Palmberg ihn immer wieder auf neue Aspekte von Misterioso aufmerksam machte.
    Nach dem Besuch bei Palmberg fuhr Hjelm zurück ins Polizeipräsidium, gab seinen Dienstwagen ab und fuhr mit der U-Bahn nach Norsborg. Auf dem Bahnsteig an der T-Centralen brüllten ihm von jedem kleinen Zeitungskasten die Schlagzeilen entgegen.
    »MACHTMÖRDER GEFASST. EINWANDERERPOLIZIST HELD IM NÄCHTLICHEN GEISELDRAMA.«
    Er lachte mitten im hektischen Berufsverkehr. Vertauschte Rollen, dachte er und stieg in die Bahn. Setzte sich in die Nähe einer kleinen Gruppe, Arbeitskollegen, wie es schien, um zu hören, ob sie sich über die Morde unterhielten.
    Aber sie unterhielten sich über ihre Arbeit in einer kleinen Lieferfirma, wer was mit dem Chef gemacht hatte, über Lohnerhöhungen und ausgebliebene Lohnerhöhungen und über Leute, die sich bei verschiedenen Gelegenheiten danebenbenommen hatten. Aber dann streiften sie doch noch kurz die Auflösung der Machtmorde. Sie waren enttäuscht, hatten sich ein internationales Komplott vorgestellt – und dann war es nur ein smaländischer Bankhansel, der durchgeknallt war. Sie waren überzeugt, dass die Polizisten sich geirrt hatten. Irgendwo da draußen lauerte die wahre Konspiration. Vielleicht, dachte Paul Hjelm und döste ein.
     

33
     
    Es war spätabends. Hjelm starrte aus dem Reihenhausfenster in Norsborg. Es goss immer noch in Strömen. Der Frühsommer schien sich von der schwedischen Klimakarte gänzlich verabschiedet zu haben. Es war noch nicht einmal Juni, aber trotzdem fast schon herbstlich.
    Trotzdem wollten die
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