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Misterioso

Misterioso

Titel: Misterioso
Autoren: Arne Dahl
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nichts Außergewöhnliches«, sagte Chavez. »Ich war an dem Fenster links von der Tür, wie mit Paul abgesprochen. Aber da gab es absolut keinen Spalt und keine Lücke, also habe ich mich ganz langsam weiter zu dem Fenster geschlichen, in dem Arto einen Spalt gesehen hatte. Ich kam ziemlich genau in dem Augenblick dort an, als Andersson sich vor Hjelm hockte. Ich hab nach bekanntem Muster auf seine Schulter geschossen.«
    »Sehr gegen die Vorschriften«, sagte Hultin, ohne eine Miene zu verziehen. Dann stand er auf, ging zur Tafel und ergänzte die Aufzeichnungen durch ein paar letzte Pfeile. Es war ein gewaltiges Diagramm, das er da geschaffen hatte, ein komplexes, asymmetrisches Muster. Jeder Name, jeder Platz, jedes Ereignis dieses langen, verworrenen Falles war dort verzeichnet.
    Hultin stand eine Weile da und betrachtete schweigend sein Werk.
    »Die Schönheit der Abstraktion«, sagte er schließlich und kehrte zu seinem Platz zurück. »Und der Schmutz der konkreten Polizeiarbeit.«
    Dann wandte er sich wieder dem Konkreten zu.
    »Na«, sagte er. »Am Ende haben wir ja doch noch so etwas wie eine Symmetrie. Jorges Schuss fiel eindeutig vor zwölf Uhr, damit hat der Fall exakt zwei Monate gedauert.«
    »Der Fall wurde damit am neunundzwanzigsten Mai abgeschlossen, am Jahrestag des Einzugs der Türken in Konstantinopel 1453, dem Beginn einer neuen Epoche«, sagte Söderstedt zu aller Erstaunen. Sie starrten ihn an, bis er entschuldigend mit den Schultern zuckte.
    »Na gut«, sagte Hultin in neutralem Ton. »Ich hätte da noch eine kurze Frage an unsere Kollegen von auswärts: Würdet ihr gern nach Hause fahren?«
    Er bekam keine Antwort.
    »Dann tut das. Und genießt den Sommer. Danach kommt ihr wieder hierher. Wenn ihr wollt. Wie Mörner und der Reichspolizeipräsident und einige andere, die sich in eurem Ruhm sonnen wollen, sicher bald verkünden werden, soll die A-Gruppe eine dauerhafte Einrichtung werden, allerdings nicht unter diesem lächerlichen Namen.«
    Die Kollegen der ehemaligen A-Gruppe guckten verdutzt aus der Wäsche.
    »Es geht um folgendes«, hob Hultin an, rückte die Lesebrille zurecht, überflog einen Notizzettel und schüttelte den Kopf. »Ich wollte euch an dieser Stelle eigentlich Mörners Mitteilung vorlesen, aber die kann man nicht lesen. Ich fasse sie also in eigenen Worten zusammen: Die A-Gruppe war ein Versuch der Reichspolizeibehörde, die Idiotien, die es bei der Palme-Ermittlung gab – zu große, ständig wechselnde und ressourcen- und energieverschwendende Ermittlungsgruppen – nicht noch einmal zu begehen. Wir wollten eine kleine, fest zusammengeschweißte Kerntruppe, die bereit ist, sich die Seele aus dem Leib zu arbeiten, mit weitreichenden Befugnissen, und die die eigene Aufmerksamkeit ganz auf das Wesentliche konzentriert. So gesehen, kann das Experiment, ich zitiere widerwillig, ›zu diesem Zeitpunkt und unter Berücksichtigung des Kontextes, der der perfekten Auflösung erwähnten Falles zugrunde lag, als außerordentlich zufriedenstellend betrachtet werden‹. Mörner ist mit anderen Worten nicht unglücklich. Die A-Gruppe soll als eine kleine, dauerhafte Einheit der Reichskripo bestehen bleiben, die sich auf die besonders schweren Fälle konzentriert. Im Moment sieht es so aus, als würde es dabei um ›Gewaltverbrechen auf internationaler Ebene‹ gehen. Was haltet ihr davon?«
    »Meinst du, ihr könntet eine geeignete Stadtwohnung für eine wilde, finnlandschwedische Familie mit fünf Kindern auftreiben?« fragte Söderstedt. »Ich hab es so über, im Garten rumzuwühlen.«
    »Dafür wird ohnehin kaum noch Zeit bleiben«, sagte Hultin. »Darf ich das als ein Söderstedtsches Ja interpretieren?«
    »Ich muss das natürlich erst im Familienrat besprechen«, wiegelte Söderstedt ab.
    »Selbstverständlich«, sagte Hultin. »Ihr habt zwei arbeitsfreie Monate Zeit, euch mit euren Familien oder wem auch immer zu verständigen. Wir treffen uns am vierten August wieder hier. Bis dahin habt ihr frei. Allerdings müsst ihr für
    den Staatsanwalt erreichbar sein, der mit dem Verfahren im Fall Göran Andersson befasst ist. Jorges lebensrettender Einsatz kostet den Staat einige Millionen.«
    Chavez schnitt eine Grimasse.
    »Lehnt einer von euch von vornherein jede weitere Zusammenarbeit mit der Reichskripo ab? Ihr wisst, was ein weiser Mann gesagt hat: Einmal drin, kommt man nicht mehr raus. Außer in der dafür eigens vorgesehenen Kiste. Mit dem Stempel der Reichskripo.«
    Hjelm
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