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Misterioso

Misterioso

Titel: Misterioso
Autoren: Arne Dahl
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Seite des Weges lag vollständig im Dunkeln. Nichts deutete auf die Anwesenheit eines lebenden Wesens hin.
    Es war stockfinster und bitterkalt. Der Mond war nur eine dünne Sichel, die so gut wie kein Licht abgab. Vereinzelt glommen hier und da ein paar Sterne. Man konnte meinen, weit draußen auf dem Lande zu sein.
    Jeder für sich bibberten sie in ihren dunklen Lauben.
    Sie warteten. Hultin unten am Fuß des Hügels überlegte. Es gab keinen konkreten Plan, so viel stand fest. Der Plan nahm erst in seiner Ausführung Gestalt an.
    »Sollen wir Kontakt aufnehmen?« fragte Hjelm.
    Es dauerte eine Weile, bis er eine Antwort bekam.
    »Wir können davon ausgehen, dass wir es mit einer Geiselnahme zu tun haben«, sagte Hultin nachdenklich. »Wahrscheinlich befindet er sich in der Laube und hat Alf Rüben Winge und Anja Parikka in seiner Gewalt. Eine allzu abrupte Kontaktaufnahme könnte die Geiseln gefährden.«
    »Warum sollte er mit einem Mal Geiseln nehmen?«
    »Aus genau dem Grund, den du in dem Telefonat mit ihm angesprochen hast. Winge ist vermutlich in Anjas Begleitung gekommen. Andersson hat Helena Brandberg leben lassen, obwohl ihn das seine Kassette gekostet hat. Er will Anja nicht umbringen. Er hat seine Liste, und die wird er Punkt für Punkt abarbeiten. Und nun hockt er da drinnen mit einem Menschen, der auf seiner Liste steht, und einem zweiten, der definitiv nicht auf seiner Liste steht, und weiß nicht recht, was er machen soll.«
    Danach war es wieder eine Weile still. Ein kalter Wind fuhr durch das Gras.
    »Es gäbe eine Alternative«, sagte Hjelm schließlich über die Funksprechanlage.
    »Welche?« fragte Hultin.
    »Dass er wartet.«
    »Worauf?«
    »Auf mich«, sagte Paul Hjelm.
    Das leise Rauschen des nächtlichen Verkehrs im Hintergrund mischte sich in die Stille und wurde ein Teil von ihr. Der leise Ruf einer Eule ertönte. Und unterstrich die Stille noch mehr.
    Chavez rührte sich. Er hatte seine Pistole gezogen.
    Die Zeit stand still.
    Da knackte es in den Ohrstöpseln.
    »Ich habe etwas gesehen«, meldete Söderstedt. »Ich habe durch den Spalt neben dem Rolleau eine Pistole gesehen. Er geht da drinnen hin und her.«
    Die Zeit zog sich zusammen. Ein dumpfer Schlag mit jeder Sekunde, die durch ihre Hirne tickte.
    Hultins Schweigen.
    Die Entscheidung.
    Die Parikka-Laube lag friedlich und still in der Dunkelheit. Dennoch tat sich etwas dort drinnen, nicht sichtbar, aber spürbar.
    Hjelms Handy klingelte.
    Die Stille verstärkte das normalerweise leise Läuten und machte es unerträglich.
    Er ging ran, so schnell es ihm überhaupt möglich war.
    »Na, wunderbar«, sagte Göran Andersson. »Jetzt weiß ich wenigstens, dass Sie in der Hütte gegenüber sind. Ich habe Sie schon erwartet.«
    Hjelm bekam keinen Laut heraus. Er räusperte sich und erkannte seine eigene Stimme kaum wieder, als er fragte: »Leben sie?«
    »In dem einen Fall ist das eine reine Frage der Definition«, sagte Göran Andersson. »Das Mädchen hat Angst, aber sie lebt. Der andere sah bereits tot aus, als er hier ankam.«
    Es wurde wieder still. Chavez hielt sein Funksprechgerät so nahe wie möglich an das Handy, damit die anderen das Gespräch verfolgen konnten.
    »Was haben Sie jetzt vor?« fragte Hjelm.
    »Was ich vorhabe?« wiederholte Andersson. »Was haben Sie denn vor?«
    Hjelm holte tief Luft. »Ich komme rüber«, sagte er.
    Jetzt war es an Andersson zu schweigen.
    »Tun’Sie das«, sagte er schließlich. »Aber diesmal bitte keine Waffe im Hosenbund. Und keine aktivierten Funksprechgeräte.« Damit unterbrach er die Verbindung.
    »Jan-Olov?« fragte Hjelm in Chavez’ Funksprechgerät.
    »Du musst nicht gehen«, sagte Hultin.
    »Doch«, erwiderte Hjelm und gab Chavez seine Dienstwaffe. Danach legte er seine Jacke, das Funksprechgerät und sein Handy auf den Bretterboden der Laube.
    Jorge sah ihn besorgt an, legte ihm eine Hand auf den Arm und flüsterte: »Veranstalte ein paar Sekunden Lärm, wenn du reingehst, damit ich Gelegenheit habe, zum linken Fenster zu gelangen. Ich warte draußen.«
    Hjelm nickte, und dann traten sie gemeinsam in die Nacht hinaus. Jorge blieb hinter der Laube stehen, während Hjelm um die Hütte herumging.
    Im T-Shirt und mit auf dem Kopf verschränkten Händen kreuzte er den schmalen Weg zwischen den Grundstücken. Die wenigen Meter kamen ihm vor wie eine Unendlichkeit. Er wunderte sich, dass er nicht fror.
    Einen Augenblick lang sah er sich wieder die Treppe zur Ausländerbehörde in Hallunda
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