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Misterioso

Misterioso

Titel: Misterioso
Autoren: Arne Dahl
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bringen.«
    Er nahm ein Maßband und einen Dartpfeil aus der Tasche, legte den Pfeil auf den Tisch und kroch, die Waffe ununterbrochen auf Hjelm gerichtet, zu den beiden Gestalten in der Ecke. Dort maß er von Alf Rüben Winges schlaffem, massigen Körper einen bestimmten Abstand ab, legte das Band als Markierung auf den Boden und kehrte zu dem Stuhl zurück. Er setzte sich, hob den Dartpfeil auf und wog ihn in der Hand.
    »Sie wissen, wie Fünfhunderteins gespielt wird«, sagte er. »Man zählt von Fünfhunderteins rückwärts bis Null. Damals in der Bank hatte ich gerade das Bulls Eye getroffen und nur noch den abschließenden Wurf vor mir. Der fehlt mir immer noch. Und ich habe noch nie ein Spiel ohne Abschluss gelassen. Wissen Sie, was Abschluss bedeutet?«
    Hjelm antwortete nicht. Er konnte Andersson nur anstarren. Der hob den Pfeil vors Gesicht.
    »Man muss die passende Zahl in einem Double treffen, so dass das Spiel genau mit Null ausgeht. Das werde ich jetzt tun. Aber normalerweise zieht ein Spiel sich nicht über vier Monate hin.«
    Er stand auf und stellte sich hinter der Markierung auf.
    »Exakt zweihundertsiebenunddreißig Zentimeter. Die gleiche Entfernung habe ich auch in den Wohnzimmern eingehalten.«
    Er hob den Pfeil und sah zu Hjelm herüber. Hjelm starrte ihn an. Anja Parikkas Blick war panisch. Winge, der inzwischen die Augen aufgeschlagen hatte, fixierte den Pfeil mit Entsetzen.
    »Das ist derselbe Pfeil, den ich dem Kerl am fünfzehnten Februar in Algotsmala aus dem Auge gezogen habe«, sagte er. »Jetzt kommt der Abschluss.«
    Er hob den Pfeil erneut, zielte und warf ihn auf die Rettungsringe um Alf Rüben Winges Bauch. Der Pfeil blieb in seinem Fett stecken. Winge riss die Augen auf, aber durch den Klebestreifen drang kein Laut.
    »Double ring«, konstatierte Göran Andersson. »Abschluss. Das Spiel ist vorbei. Eine ungewöhnlich lange Partie.« Er drehte sich zu Hjelm um und ging ein Stück vom Bett entfernt in die Hocke. »Wenn ich spiele, bin ich äußerst konzentriert«, sagte er aufgeräumt. »Sobald das Spiel zu Ende ist, bin ich wieder der Alte. Die Spannung lässt nach, ich kann den Alltag mit klarem Verstand angehen.«
    Hjelm bekam immer noch keinen Laut über die Lippen.
    »Und mein Verstand sagt mir, dass es jetzt Zeit ist zu sterben. Ich möchte, dass Sie meinen Körper auffangen, wenn er fällt.«
    Er schob sich den Schalldämpfer in den Mund. Hjelm konnte sich nicht rühren.
    »Abschluss«, sagte Göran Andersson undeutlich.
    Und dann kam der Schuss.
    Der Knall war lauter, als er hätte sein dürfen.
    Andersson fiel über Hjelm, Hjelm fing ihn auf. Einen Moment lang glaubte er, das Blut, das über ihn lief, stamme von ihm selbst.
    Er blickte zu dem Fenster über Anja und Winge. Überall im Raum verteilt lagen Glassplitter. Das Rolleau war zerfetzt. Jorge Chavez steckte seinen schwarzhaarigen Schädel herein.
    »Schulterschuss«, sagte er.
    »Aah«, stöhnte Göran Andersson.

32
     
    Sogar Gunnar Nyberg war da. Er saß mit einem Verband um den Kopf auf seinem Platz und hatte was von einer Mumie aus einem alten Gruselfilm. Eigentlich hatte er hier noch nichts verloren.
    Aber jetzt saßen sie doch alle zusammen. Es war an der Zeit, sich zu verabschieden und in die Polizeidienststellen von Huddinge, Sundsvall, Göteborg, Västeräs, Stockholm und Nacka zurückzukehren. Übermorgen war der 1. Juni. Der Sommer war gerettet.
    Die Stimmung in der Kampfleitzentrale war irgendwie unentschlossen. Keiner sagte etwas.
    Jan-Olov Hultin kam durch seine mysteriöse Spezialtür -und ließ sie offen stehen. Dahinter befand sich eine ordinäre Toilette.
    Das Mysterium war gelöst, der Nebel blieb.
    Hultin knallte eine dicke Mappe auf den Tisch, setzte sich und schob sich die Lesebrille auf die Nase.
    »So, so«, sagte er. »An dieser Stelle wäre wohl eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse von letzter Nacht ganz angebracht. Göran Anderssons verhältnismäßig geringfügige Schulterwunde wird im Krankenhaus behandelt. Dort befindet sich auch Alf Rüben Winge mit einer ebenso geringfügigen Wunde am Dickdarm. Anja Parikka hat es, nicht ganz überraschend, am schlimmsten erwischt. Sie wurde mit einem schweren Schock in die Intensivstation eingeliefert. Wir können nur hoffen, dass sie sich von der Sache erholt. Wie sieht es mit euch aus? Paul?«
    »Geht so«, sagte Hjelm erschöpft. »Der Geiselexperte ist wieder fit.«
    »Gut«, sagte Hultin. »Jorge, erzähl, was passiert ist.«
    »Eigentlich
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