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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut
Autoren: Adam Ross
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gehänselt hatten – Bobbie Jo, das Nilpferd , Bobbie Jo, das Gnu . Bobbie Jo, der Ochsenfrosch , Bobbie Jo, die Kuh . Er konnte sich noch gut an das Lied erinnern. Bestimmt wurde Alice von ihren Schülern ganz ähnlich gequält, zumindest stellte David sich das vor. Das waren allesamt Straftäter, Kriminelle, Verrückte ohne Sinn und Verstand. Er kochte vor Wut, obwohl Alice niemals von irgendwelchen Schmähungen berichtet hatte. Einmal hatte er im Central Park ein junges Pärchen über Alice reden hören. »Schau dir die an«, hatte der junge Mann zu seiner Freundin gesagt, gerade als David, der losgegangen war, um Alice einen Dove-Schokoriegel zu holen, sich hinter ihnen in die Warteschlange stellte. »Ich meine, wie kann man sich bloß dermaßen gehen lassen?« Das Mädchen trug einen Stretchanzug und Rollerblades. Mit ihrem leuchtenden Helm, den Knieschützern und der durchtrainierten Figur sah sie wie eine Superheldin aus. »Ich glaube, dann müsstest du mich erschießen«, sagte sie. »Versprichst du mir das?« Er versprach, sie zu erschießen, mit seinem großen Jagdgewehr. »Du bist schlimm«, lachte das Mädchen und glitt davon. Du bist tatsächlich schlimm, dachte David. Er war schlimm, denn er hatte mitgelacht. Er erinnerte sich an das Schweigen, das er und Alice im Schlepp hinter sich herzogen, wenn sie die Sheep Meadow überquerten, an die verstummenden Gespräche und die Blicke, die, sie wussten es beide, ihr galten. Alice ging schnurstracks geradeaus und strich sich hektisch das Haar hinters Ohr. Wenn sie auf einer Party fremden Leuten vorgestellt wurden, beobachtete er, wie die anderen so taten, als sei an Alice rein gar nichts ungewöhnlich. Er stellte sich neben sie, wann immer es möglich war, damit seine Erscheinung – er war selbst ein stattlicher Mann, untersetzt und über einsachtzig groß – die ihre ein wenig abmilderte.
    Im Bett rutschte er unter den Laken dicht an sie heran und legte sein Ohr an ihren Rücken. Er lauschte ihrem Herzen, dessen leises, entschlossenes Pah Pah Pah klang wie eine Hand, die auf ein Kissen klopft. Das Größenverhältnis ihres Herzens zu ihrem Körper stellte er sich ähnlich vor wie das von Hirn zu Brontosaurus. Und dann stellte er sich ihre Seele vor – alle Seelen und wie sie wohl aussehen mochten. Er hatte längliche Geistergestalten vor Augen, die aussahen wie mandeläugige Außerirdische und deren Aufgabe es war, den Körper, das sterbliche Vehikel, zu steuern. In Alice’ Fall war dazu eine besondere Ausbildung nötig. Ihr Körper verfügte über zusätzliche Schalthebel, deren Bedienung außerordentliche Seelenstärke erforderte. Selbstverständlich gab es keine Servolenkung, dafür aber die gleichen Schilder wie am Heck von Schwertransporten – ACHTUNG, FAHRZEUG SCHWENKT AUS –, nur dass dem Fahrzeug leider nicht derselbe Respekt gezollt wurde wie dem Lastwagen auf der Straße.
    Im Dunkeln summte Alice ihren schläfrigen Dauerton. David befummelte sie verstohlen. Ihre Brüste waren weich wie Daunen, ihr ganzer Körper (samt der schwer beschäftigten Außerirdischen an den Anzeigetafeln und Druckmessern ihrer Seelensteuerung) war bettwarm. Als sie nicht reagierte, rollte er sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Seine Gedanken begannen zu wandern; er dachte an die letzten fünf Jahre, an Alice’ Verwandlung, er überlegte, wann sie wirklich eingesetzt hatte, und plötzlich beschlich ihn ein Gefühl der Mitschuld, so als sei er die Ursache für ihre Krankheit. Er musste irgendetwas tun, um sie zu heilen.

 
     
     
     
    W ir erzählen uns Geschichten über die Ehen anderer Leute, dachte Detective Hastroll. Wir sind Experten, was fremde Gleichnisse und Parabeln betrifft. Aber kennen wir die Geschichte unserer eigenen Ehe? Wenn es so wäre, dachte Hastroll, gäbe es vielleicht keinen Mord und Totschlag mehr. Wenn wir unsere eigene Geschichte kennen würden, bliebe uns vielleicht so manche Grausamkeit, so manches Verbrechen erspart.
    Er dachte an seine Frau Hannah, die zu Hause im Bett lag. War Sheppard sich dieser Tatsache bewusst, wenn er sich nach ihr erkundigte? Merkte er, dass Hastroll dem Zusammenbruch nahe war? Dass er verzweifelte?
    Hastroll beobachtete durch die verspiegelte Scheibe, wie Sheppard dem Verdächtigen zuliebe in den Ärztemodus wechselte. Seine Stimme nahm einen autoritären und zugleich warmherzigen Klang an, und fast augenblicklich war das Vertrauen des Verdächtigen gewonnen. Pepin wehrte sich selbst dann nicht, als
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