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Mistelzweig und Weihnachtskuesse

Mistelzweig und Weihnachtskuesse

Titel: Mistelzweig und Weihnachtskuesse
Autoren: Susan Mallery
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sechster Sinn, er war nicht sicher.
    Zuerst rannte er zur Treppe und nahm zwei Stufen auf einmal. Dann überlegte er es sich anders und sprintete zum Büro, seinem provisorischen Schlafzimmer. Die Schranktür war angelehnt. Er stieß sie auf und starrte auf den blanken, sauberen Boden. Er brauchte nicht weiter zu suchen. Mistletoe war verschwunden, und Holly mit ihr.
    Fassungslos sank er auf den Krankenhausstuhl, stützte die Ellenbogen auf die Knie und vergrub das Gesicht in den Händen.
    Weg. Einfach so. Ohne Warnung. Ohne sich zu verabschieden.
    Sobald Holly ihn zurückgewiesen hatte, war ihm klar gewesen, dass er alles falsch gemacht hatte. Er hätte seine Worte besser wählen müssen. Aber in Wirklichkeit hatte er gar nicht vorgehabt, ihr einen Antrag zu machen. Er hatte nur daran gedacht, dass er sie nicht verlieren wollte, als er mit allem herausgeplatzt war.
    Er war ein Idiot. Schlimmer, er hatte sie verletzt. Jetzt war sie weg, und er hatte keine Ahnung, was er tun sollte.
    „Sie hat dir eine Nachricht dagelassen.“
    Als er aufsah, erblickte er Louise, die leise ins Zimmer gekommen war. Sie reichte ihm einen Umschlag. Er nahm ihn entgegen, öffnete ihn und betrachtete den Inhalt.
    Jordan,
    dich auf diese Art zu verlassen, tut mir leid. Es kommt mir so feige vor. Aber ich gebe als Allererste zu, dass ich gerade nicht den Mut habe, dir gegenüberzutreten. Ich gehe, weil ich nicht bleiben kann. Vorher war es leicht, so zu tun, als würde ich dich nicht lieben. Das geht jetzt nicht mehr. Mir ist klar, dass es wenig Sinn ergibt. Würde ich dich wirklich lieben, müsste ich dann nicht auf dein Angebot fliegen? Vielleicht bin ich naiv und greife nach den Sternen, ich weiß es nicht. Nur eines weiß ich sicher: Ich will einen Mann, der meine Liebe erwidert. Einen, der mir genug vertraut, um mir sein Herz zu schenken. Ich mache dir keine Vorwürfe, dass du das nicht kannst. Ich wünschte, es wäre anders.
    In Liebe
    Holly
    Wieder und wieder las er den Brief, bis er jedes Wort auswendig konnte. Bis er am Schmerz nicht mehr vorbeiatmen und sich auf nichts anderes mehr konzentrieren konnte als auf die klaffende Wunde in seiner Brust. Dann zerknüllte er das Papier in den Händen.
    „Sie ist fort“, sagte er. Vor Benommenheit merkte er nicht, dass er die Worte laut aussprach.
    „Seit heute früh.“ Louise trat einen Schritt auf ihn zu. „Wahrscheinlich willst du es von mir nicht hören und wirst mir auch nicht glauben. Aber es tut mir leid, Jordan. Für euch beide.“ Einen Moment schwieg sie. „Auch ich werde gehen. Du bist wieder auf den Beinen, und ohne Holly brauchst du mich nicht mehr.“
    Wortlos nickte er, und sie machte sich auf den Weg aus dem Zimmer.
    „Warte!“, rief er plötzlich, sprang auf die Füße und lief ihr nach. „Wo ist sie hin?“
    Louises Augen sahen mehr, als sie sollten. „Ist das nicht egal?“
    „Nein.“
    „Sie hat das Pförtnerhäuschen auf Kyles und Sandys Grundstück gemietet.“ Sanft berührte sie seinen Unterarm. „Du hast deine Gründe, mich zu hassen“, fuhr sie fort. „Ich sehe die Dinge zwar anders als du, aber ich kann dich verstehen. Trotzdem gebe ich dir einen guten Rat: Du bist ein Dummkopf, wenn du sie gehen lässt.“
    Wütend ballte er die Faust um das Papierknäuel fester zusammen. „Das geht dich nichts an.“
    Darauf lachte sie nur. „Du hast recht, es geht mich nichts an. Na und? Bist du mir jetzt böse? Jordan, seit fast zwanzig Jahren trägst du mir diese Geschichte nach. Es ist mir gleich, was du über mich denkst. Und es schert mich einen Dreck, ob du dich weiter wie ein Miststück verhältst.“
    Vielleicht war es der Schock, vielleicht der rohe Schmerz – für einen Augenblick gelang es ihm nicht mehr, sich hinter seiner Maske aus Gleichgültigkeit zu verschanzen. Zum ersten Mal seit jenem Nachmittag vor so vielen Jahren erlaubte er sich, Louise vorbehaltlos anzusehen.
    Die Plastiktannenbaumohrringe glitzerten im Licht. Um ihre Augen hatten sich ein paar Fältchen gebildet, und die Haut war nicht mehr so straff wie früher. Aber davon abgesehen war sie dieselbe Frau wie immer. Sie hatte ein gutes Herz. Die Bereitwilligkeit, mir der sie ihn ertrug, war der beste Beweis.
    Er dachte daran, wie einsam seine Welt sein würde, jetzt, wo Holly weg war. Wenn sein Vater auch nur ein Zehntel dieser Gefühle für Louise empfunden hatte, konnte Jordan ihn vielleicht doch ein Stück weit verstehen. Das entschuldigte zwar nicht, was er getan hatte, aber es
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