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Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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gedrückt hielt.
    »Jetzt ist wieder alles in Ordnung«, sagte Annie. »Es war nur ein böser Traum, nicht wahr? Träume können dir nicht weh tun. Wir fegen sie einfach weg und waschen dir das Gesicht, und dann essen wir ein bißchen Eiscreme und Erdbeeren mit Dave und Annie.«
    Das kleine Mädchen klammerte sich an Annies Brust und schaute mich aus runden, verängstigten Augen an. Annie drückte sie und küßte sie aufs Haar.
    »Dave, wir müssen sie unbedingt behalten«, sagte sie.
    Wieder gab ich ihr keine Antwort. Ich saß den ganzen Abend draußen auf der Veranda und beobachtete, wie sich das Licht auf dem Bayou purpurn färbte, hörte den Zikaden zu und dem Regen, der aus den Bäumen tropfte. Zu einer gewissen Zeit meines Lebens hatte Regen für mich stets die Farbe von nassem Neonlicht oder Jim Beam gehabt. Jetzt sah er schlicht wie Regen aus. Er roch nach Zuckerrohr, nach den Zypressen entlang dem Bayou, nach der gold- und scharlachfarbenen Wunderblume, deren Blüten sich im kühlen Schatten öffnen. Doch als ich die Leuchtkäfer im Pecanohain aufflammen sah, konnte ich nicht leugnen, daß mich innerlich ein leichtes Zittern befiel, wie ich es aus Nachtcafés kannte, wenn der Regen streifig über neonhelle Fenster rann.
    Ich beobachtete weiter den Sandweg, doch er blieb leer. Gegen neun Uhr sah ich ein paar Kinder in einem Einbaum draußen auf dem Bayou, die Frösche mit einem Fischrechen einholten. Die Scheinwerfer der Kinder tanzten durch Schilf – und Rohrdickicht, und ich konnte hören, wie ihre Paddel laut platschend ins Wasser eintauchten. Eine Stunde später schob ich den Riegel vor die Fliegentür, schaltete die Lichter aus und legte mich neben Annie ins Bett. Das kleine Mädchen schlief auf der anderen Seite. Im Mondschein, der durchs Fenster fiel, sah ich Annie lächeln, ohne daß sie die Augen öffnete. Dann legte sie mir den Arm über die Brust.
    Er kam früh am nächsten Morgen, als die Sonne noch dunstig und weich in den Bäumen hing, er kam, bevor die Regenpfützen auf dem Weg getrocknet waren, so daß sein Regierungswagen eine Negerfamilie mit Schlamm bespritzte, die, auf Zuckerrohrstöcke gestützt, auf meinen Anlegesteg zugeschlendert kam. Ich ging in die Küche, wo Annie und Alafair gerade ihr Frühstück beendeten.
    »Warum nimmst du sie nicht mit runter zum Teich, die Enten füttern?« sagte ich.
    »Ich dachte, wir fahren in die Stadt und kaufen ihr was zum Anziehen.«
    »Das können wir später machen. Hier ist altes Brot. Geht durch die Hintertür und haltet euch zwischen den Bäumen.«
    »Was ist los, Dave?«
    »Nichts. Nur unwichtiger Scheiß. Ich erzähl’s dir später. Nun komm schon, verschwinde!«
    »Ich wüßte gern, seit wann du so mit mir sprichst.«
    »Annie, ich meine es ernst«, sagte ich drängend.
    Ihr Blick schoß an mir vorbei in die Richtung, aus der das Geräusch des durch die Pecanobäume nahenden Wagens kam. Sie griff sich den Zellophanbeutel mit altem Brot, nahm Alafair an der Hand und ging durch die hintere Fliegendrahttür zwischen den Bäumen auf den Teich am Ende unseres Grundstücks zu. Nur einmal schaute sie zurück, und ich konnte ihrem Gesicht ansehen, daß sie alarmiert war.
    Das Kammgarnjackett über die Schulter gehängt, entstieg der Mann einem grauen Wagen aus dem Fuhrpark der US-Regierung. Er war mittleren Alters, etwas fett um die Hüfte und trug eine Fliege. Die Haare waren sorgfältig in Strähnen über die kahlen Stellen gelegt.
    Ich ging ihm auf der Veranda entgegen. Er sagte, sein Name sei Monroe, Einwanderungs- und Einbürgerungsamt in New Orleans. Während er redete, wanderte sein Blick ins Halbdunkel des Hauses.
    »Ich würde Sie reinbitten, aber ich bin auf dem Weg zum Dock«, sagte ich.
    »Das geht in Ordnung. Ich muß Sie nur ein oder zwei Sachen fragen«, sagte er. »Warum haben Sie eigentlich nicht auf die Küstenwache gewartet, nachdem Sie sie auf der Notfrequenz gerufen haben?«
    »Weswegen sollte ich?«
    »Die meisten Leute würden gern in der Nähe bleiben. Schon aus Neugier. Wie oft sieht man schon ein Flugzeug abstürzen?«
    »Meine Frau hat die Position durchgegeben. Öl– und Benzinflecken konnte man deutlich auf dem Wasser erkennen. Die haben uns nicht gebraucht.«
    »Na so was«, sagte er und zog eine Zigarette aus seiner Hemdtasche. Er rollte sie zwischen den Fingern hin und her, ohne sie anzuzünden und blickte an mir vorbei auf die Pecanobäume. Die Tabakfasern knisterten trocken im Papier. »Trotzdem, ich hab’ da ein
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