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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla
Autoren: Philip Kerr
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gehabt, Special Agent Hamer», sagte ich.
    «Sparen Sie sich den ‹Special Agent›, Gunther», sagte Scheuer. «Von nun an sind wir alle bloß Gentlemen, okay?»
    «Schließt das Herrn Hamer mit ein?»
    «Machen Sie ruhig weiter so, Gunther. Sie arrogantes deutsches Arschloch», sagte Hamer. «Sie werden schon sehen, was Sie davon haben. Es wäre mir nur recht, wenn Erich Mielke nicht auftaucht. Dann würden Ihnen die großen Töne nämlich schnell vergehen. Ganz zu schweigen davon, dass es mich diebisch freuen würde, wenn Ihnen die fünfundzwanzig Riesen durch die Lappen gingen.»
    «Der kommt schon», sagte ich.
    «Woher wollen Sie das so genau wissen?», fragte Hamer.
    «Weil er seinen Vater liebt, natürlich. Ich erwarte nicht, dass Sie so etwas verstehen, Hamer. Man muss schon sicher sein, wer sein eigener Vater ist, um ihn lieben zu können.»
    «Hamer», schaltete Scheuer sich ein. «Ich befehle Ihnen, darauf nicht zu antworten. Und Gunther? Es reicht.» Er deutete auf die Straße. «Wo lang?»
    «Auf der Quitzowstraße links und dann zweimal rechts bis zur Putlitzstraße.»
    In der Quitzowstraße fuhren wir ein Stück neben der Ringbahn her, im selben Tempo wie der kleine rotgelbe Zug, der in Richtung Bahnhof Putlitzstraße ratterte und über das überwucherte Gleis entlang der grünen Böschung rollte. Der rote Backsteinbahnhof mit seinem hohen Bogenfenster und dem Turm nahm sich eher aus wie ein mittelalterliches Kloster.
    Es wurde schnell dunkel, und in dem schwachen, gespenstisch grünen Schein der Straßenlampen auf der Föhrer Brücke fuhren wir nach Wedding hinein. Mit seinen Textilfabriken, Brauereien und Elektrogroßbetrieben war das Viertel früher das industrielle Herz Berlins und eine kommunistische Hochburg gewesen. Bei den Reichstagswahlen 1930 hatten dreiundvierzig Prozent der Stimmberechtigten in Wedding, von denen viele aufgrund der Wirtschaftskrise bereits ihre Arbeit verloren hatten oder von Arbeitslosigkeit bedroht waren, die KPD gewählt. In der Dunkelheit wirkte der Stadtteil, einst einer der am dichtesten bewohnten Berlins, nun wie ausgestorben, als wäre alles Gold auf die Schiffe der Eroberer geschafft worden – der wirtschaftliche Aufschwung beschränkte sich auf den amerikanischen Sektor. Aber eigentlich war Berlin schon immer früh zu Bett gegangen, vor allem im Winter, allerdings nicht schon am späten Nachmittag.
    Scheuer hämmerte aufgeregt aufs Lenkrad, als er von der Föhrer Straße in die Triftstraße bog. «Ich kann es einfach nicht fassen, dass wir den Burschen wirklich kriegen», sagte er. «Wir kriegen Mielke.»
    «Scheiße, ja», sagte Frei und johlte laut.
    Die drei führten sich auf wie Basketballspieler, die sich vor einem wichtigen Spiel in Stimmung bringen wollen.
    «Mensch, Gunther», sagte Scheuer, «wenn Sie wüssten, wozu der Kerl imstande ist. Beim Foltern zum Beispiel, da packt er schon mal ganz gern selbst mit an. Wussten Sie das?»
    Ich schüttelte den Kopf.
    «Leo Bauer», fuhr Scheuer fort, « KPD -Mitglied seit 1931, wurde 1950 verhaftet, und Mielke hat ihn geprügelt wie einen Hund. Die Russen haben Bauer zum Tode verurteilt, und dass er überhaupt noch am Leben ist, liegt einzig und allein an Stalins Tod. Und Kurt Müller, Landesvorsitzender der SPD in Niedersachsen. Die Stasi hat ihn 1950 nach Ostberlin zu einer Besprechung mit Parteifunktionären gelockt und ihn dann beschuldigt, Trotzkist zu sein. Den hat Mielke auch gefoltert. Der arme Müller sitzt seit vier Jahren in Einzelhaft im Stasi-Gefängnis in Halle. ‹Roter Ochse› nennen sie das. Und davon, was Mielke mit den CIA -Agenten gemacht hat, die sie geschnappt haben, will ich gar nicht erst reden. Einen Typen wie Mielke hätten sie gut bei der Gestapo gebrauchen können. Er soll eine Büste von Felix Dserschinski in seinem Büro stehen haben. Sie wissen schon, der erste Leiter der Tscheka, der bolschewikischen Geheimpolizei. Glauben Sie mir, im Vergleich zu Mielke war Ihr Freund Heydrich ein Amateur. Wenn wir Mielke zu fassen kriegen, können wir die ganze Stasi lahmlegen.»
    Ich hatte derlei Reden schon öfter gehört. Sie interessierten mich nicht. Das war deren Krieg, nicht meiner. Möglich, dass die Stasi die CIA für die schlimmsten «Faschisten» von allen hielt.
    Als wir uns dem Ende der Triftstraße näherten, wies ich Scheuer an, nach rechts in die Müllerstraße zu biegen.
    «Dahinten kommt gleich der Weddingplatz», sagte ich.
    Schließlich kam das Mietshaus an der Ecke der
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