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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla
Autoren: Philip Kerr
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Jahre unbemerkt in der Erde gelegen. Ein Friedhofsarbeiter war zwanzig Meter weiter dabei, ein Grab auszuheben, und muss dabei mit der Spitzhacke den Zünder getroffen haben.»
    «Das tut mir sehr leid», sagte ich.
    «Oranienburg soll mit Blindgängern übersät sein. Der Boden da ist weich, wissen Sie, mit einer harten Kiesschicht darunter. Die Bomben sind in die Erdschicht gedrungen, aber nicht durch den Kies.» Er zuckte die Achseln und schüttelte dann den Kopf. «Oranienburg muss ein begehrtes Bombenziel gewesen sein.»
    Ich nickte. «Die Heinkel-Werke. Und eine Chemiefabrik. Ganz zu schweigen von den Auer-Werken, die an der Herstellung von Hitlers Atombombe gearbeitet haben sollen.»
    «Sind Sie verheiratet, Herr Handlöser?»
    «Nein, meine Frau ist ebenfalls gestorben. An einer Lungenentzündung. Aber sie war schon länger krank, ihr Tod kam also nicht so überraschend wie der Ihrer Frau.»
    Ich trat ans Fenster und blickte hinaus auf die Straße.
    «Die Wohnung ist sehr groß für eine Person», sagte Schurz.
    «Deshalb würde ich auch gern noch drei Untermieter aufnehmen, die sich an der Miete beteiligen», sagte ich. «Wenn Sie nichts dagegen haben. Die Herren sind von einer amerikanischen Bibelschule.»
    «Das höre ich gern», sagte Schurz. «Genau das, was der französische Sektor momentan braucht: mehr Amerikaner. Die sind die Einzigen, die Geld haben. Apropos.»
    Ich blätterte ihm ein paar Geldscheine in die gierige Hand. Er reichte mir einen Satz Schlüssel, und dann kehrte ich zu dem Haus auf der Dreysestraße zurück.
    «Der Vermieter hat nichts dagegen», sagte ich, «wenn wir schon morgen einziehen.»
    «Sie haben ihn hoffentlich nicht auf Stahl alias Stellmacher angesprochen», sagte Scheuer.
    «Ich hab alles so gemacht, wie ihr es mir eingeschärft habt. Ich hab mich nicht mal allgemein nach den Nachbarn erkundigt. Also, wie geht’s weiter?»
    «Wir ziehen morgen ein und überwachen Stellmachers Wohnung», sagte Scheuer. «Wenn Sohnemann Erich seinen Vater besucht, gehen wir hoch, klingeln und stellen uns vor.»
    Frei lachte. «Hallo, wir sind Ihre neuen Nachbarn. Hätten Sie vielleicht Interesse, in den Westen überzulaufen? Sie und Ihr alter Herr?»
    «Was ist aus der Idee geworden, aus ihm einen Spion für euch zu machen?»
    «Zu aufwendig. Unsere politischen Herren wollen wissen, was die ostdeutsche Führung zurzeit denkt, nicht, was sie in einem Jahr denkt. Deshalb schnappen wir ihn uns und bringen ihn in die Staaten, um ihn in aller Ruhe auszufragen.»
    «Ihr vergesst Mielkes Frau, Gertrud, nicht? Und hat er nicht auch einen Sohn? Frank? Er wird sie doch nicht zurücklassen wollen.»
    «
Wir
vergessen sie ganz und gar nicht», sagte Scheuer. «Aber Mielke würde ich das zutrauen. Nach allem, was wir über ihn wissen, gehört er nicht zur rührseligen Sorte. Außerdem kann er jederzeit ihre Ausreise in den Westen beantragen. Es gibt ja schließlich nichts, das sie daran hindern könnte, nachzukommen.»
    «Und wenn er nicht überlaufen will?»
    «Tja, das wäre wirklich schade.»
    «Verschleppt ihr ihn dann?»
    «So würden wir das nicht nennen», sagte Scheuer. «Die amerikanische Verfassung erlaubt im öffentlichen Interesse Ausnahmen vom legalen Auslieferungsverfahren. Aber ich bezweifle, dass es so weit kommt. Sobald er uns vier sieht, wird er wissen, dass das Spiel aus ist und er keine Wahl hat.»
    «Und was dann?»
    Scheuer grinste. «Darüber möchte ich erst nachdenken, wenn wir ihn haben, Gunther. Mielke ist für die CIA in Deutschland der große weiße Wal. Wenn wir den an Land ziehen, haben wir genug Öl für unsere Lampen, um zu sehen, was wir in den kommenden Jahren in diesem Land machen. Die Stasi erholt sich vielleicht nie wieder von so einem Schlag. Vielleicht hilft es uns ja sogar, den Kalten Krieg zu gewinnen.»
    «Und ob», sagte Hamer. «Mielke ist eine Schlüsselfigur. Der Sauhund weiß so ziemlich alles über die Pläne der Kommunisten in Deutschland. Wollen sie einmarschieren oder auf ihrer Seite des Zauns bleiben? Wie weit sind sie bereit zu gehen, um das zu verteidigen, was sie sich bereits erobert haben? Und wie unabhängig ist die derzeitige ostdeutsche Führung wirklich von Moskau?»
    Frei schlug mir freundschaftlich auf die Schulter. «Gunther, alter Knabe», sagte er. «Wenn Sie uns helfen, den Mistkerl zu schnappen, haben Sie ausgesorgt, hören Sie? Und wenn Ike sich bei Ihnen erst gebührend bedankt hat, mein deutscher Freund, fühlen Sie sich
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