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Miss Seeton kanns nicht lassen

Miss Seeton kanns nicht lassen

Titel: Miss Seeton kanns nicht lassen
Autoren: Heron Carvic
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lebhaft, aber technisch falsch: was herauskam, war dröhnend, hohl und unverständlich. Gespannt sah Miss Seeton dem Schauspiel zu; Höhe und Schwindelgefühl waren vergessen.
    »Aber nein – das ist ja Superintendent Delphick!« rief sie. »Was für ein Zufall.« Sie sah die winkende Hand unten und winkte zurück. »Ein so verständnisvoller Mann«, wandte sie sich an ihren Begleiter. »Und so mitfühlend. Wenn Sie hinuntergehen und mit ihm reden, bin ich ganz sicher, daß er alles tun wird, um Ihnen zu helfen. Das heißt…« Sie hielt an. Der seltsame Mann neben ihr hörte gar nicht zu. Er starrte vor sich hin wie in Trance.
    Er ließ ihre Schulter los und trat näher an die Brüstung heran. Instinktiv streckte Miss Seeton die Hand aus. Er stand viel zu nahe an der kleinen Mauer. Sehr gefährlich, so was.
    »Sie haben gewonnen«, murmelte er. »Auf der ganzen Linie gewonnen. Dies ist das Ende – von Maryse, von mir. Von allem.«
    »Wenn Sie nun hinuntergingen…?« schlug Miss Seeton noch einmal vor.
    Wie im Traum trat er auf die Brüstung, tat dann noch einen Schritt und fiel hinunter, auf das Dach des Polizeiwagens. Der Fahrer fuhr entsetzt hoch. Das Wagendach wurde eingedrückt, was unter anderem den Genickbruch des einstigen Hauptkassierers der Bank von Brettenden zur Folge hatte.

11
    »Na ja, mir hat sie also mal wieder den Samstagnachmittag verdorben, und meine Kartoffeln habe ich immer noch nicht in der Erde. Wenn sie unbedingt unsere sämtlichen Fälle übernehmen will, weil wir alles falsch machen und sie alles besser weiß, warum tut sie es dann nicht etwas diskreter? Sie könnte einem ja einen kleinen Schubs mit dem Schirm geben und sagen: >Das hast du mal wieder schön versaubeutelt, mein Lieber.< Dazu braucht man doch nicht auf die Dächer zu klettern mit einem Mann, den wir schon begraben haben, und ihn dann runterzustoßen und auch noch einen Wagen einzudätschen.« Brinton fing Delphicks Blick auf. »Schon gut, schon gut, hat sie also nicht getan. Ich hab’ja selbst gesehen, wie er ins Leere trat. Aber einen Stoß könnte sie ihm doch gegeben haben.« Er öffnete die Knöpfe seines Uniformrocks und lehnte sich im Stuhl zurück. »Mir langt’s heute, aber reichlich. Dieser Coroner mit seinen ironischen Bemerkungen! >Wirklich fabelhaft, wie Sie mit all Ihrem neumodischen Kram immer genau das richtige Geschlecht rauskriegen!< Aber er hat keine Lust, Sterbeurkunden für die falschen Toten auszustellen, sagt er. Er will wissen, wer die verkohlte Leiche von neulich war. Als ob wir das wüßten – oder je erfahren würden! Vermutlich irgendein Landstreicher. Wir werden ihn jetzt ausbuddeln und auf Eis legen und alles mögliche versuchen, aber was kann dabei schon rauskommen? Ich kann ja nicht gut eine Beschreibung von verkohltem Fleisch ausgeben.« Er gähnte und reckte sich. »Und Ihre teure Miss Seeton, Orakel – ich wollte, Sie könnten sie an die Kette legen oder sich auf ihren Kopf setzen, irgendwas. Nur Ruhe will ich jetzt haben für den Rest des Wochenendes.«
    Delphick lachte. »Das nenne ich wahre Dankbarkeit. Alles hat sie für Sie in Ordnung gebracht, Chris; ein ganzes Prozeßverfahren hat sie uns erspart. Heute abend übrigens werden Sie sicher ungestört bleiben – da ist doch der Dorfball im Gemeindehaus, an dem die Hiesigen alle teilnehmen, und Miss Seeton ist bei den Colvedens zum Essen eingeladen, um sich ein bißchen zu erholen von heute morgen. Ja, noch etwas: Sir George hat dem jungen Hosigg eine Stellung als Vorarbeiter unter Nigel angeboten. Er hält ihn für einen anständigen Kerl und einen tüchtigen Mechaniker. Ich hoffe, der Junge nimmt es an. Sicher viel besser für ihn als die Arbeit, die er jetzt als Nachtfahrer hat.«
    »Schön.« Brinton stieß einen Seufzer aus. »Dann ist ja für Plummergen heute alles in Butter. Bloß…«, er beugte sich nach vorn und betrachtete das letzte Bild, das auf seinem Tisch lag. »Wissen Sie, Delphick, mein Büro wird allmählich zur Bildergalerie, wenn Miss Seeton so weitermacht. Ich werde Öffnungszeiten festlegen und Eintritt nehmen. Aber bei diesem hier, da bin ich nicht Ihrer Ansicht. Ich weiß, Sie haben mir alles erklärt, sehr schön weise und gelehrt mit Paras und Psychos – wir haben hier einen Inspector, der ist genau wie Sie, redet stundenlang von solchem Zeug, und alles auf chinesisch, ganz echt. Ich spreche aber bloß eine Sprache, das ist Englisch, und ich sehe auch aus diesem Bild nur eins: wir haben noch einen Toten
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