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Miss Pettigrews grosser Tag

Titel: Miss Pettigrews grosser Tag
Autoren: Winifred Watson
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neigte dazu, sich ihren Launen hinzugeben, aber sie, Miss Pettigrew, wusste sehr genau, wie Miss LaFosses Reaktion letztendlich ausfallen würde.
    Sie würde Miss LaFosse ihre Kleider zurückgeben, ihre alten wieder anziehen, zu ihrem alten Selbst zurückkehren – ein wenig schäbig, ein wenig heruntergekommen und wenig liebenswert. Miss LaFosse würde sich unbehaglich und ein wenig befremdet fühlen und überlegen, wie sie die lästige Besucherin wohl am elegantesten losbekäme.

    Der Gedanke war Miss Pettigrew unerträglich. Alles, nur nicht das. In heller Panik schwor sie sich, unter dem Vorwand, sie hätte es eilig, in die Wohnung zu stürzen, sich flink umzuziehen, einen hastigen Dank zu murmeln und auch schon wieder zur Tür hinaus zu sein. Miss LaFosse sollte sie nicht auch nur eine Minute lang in schlechter Erinnerung behalten.
    Trotz dieses beherzten Schwurs wollten Miss Pettigrews Füße nicht schneller voran. Im Gegenteil, sie verweigerten immer hartnäckiger den Dienst, und gleichzeitig kämpfte sie gegen einen lähmenden Schrecken an. Nie und nimmer würde Mrs. Pocknall sie jetzt noch einlassen. Um diese unchristliche Uhrzeit durfte sie es nicht wagen, Mrs. Pocknall aus dem Bett zu klingeln. Sie würde bis zum Morgengrauen durch die Straßen wandern müssen. Am ganzen Leib bebend lehnte sie sich gegen die Wand.
    Ein paar Sekunden war sie der Panik hilflos ausgeliefert, dann machte sie sich langsam wieder an den Aufstieg. Schließlich stand sie in Miss LaFosses Etage, sah die nunmehr vertraute Tür. War es wirklich kaum erst einen Tag her, seit sie vor derselben, ihr da noch fremden Tür gestanden und sich ängstlich gefragt hatte, welcher Empfang ihr wohl bevorstand – ob sie wieder versagen oder ob ihre Befürchtungen sich diesmal ausnahmsweise als unangebracht erweisen würden -, natürlich ohne auch nur im Mindesten zu ahnen, was sie hinter dieser Tür erwartete?
    »Aber es ist vorbei«, dachte Miss Pettigrew. »Ich habe meinen Tag gehabt. Ich kann mich glücklich schätzen. Manche haben nicht mal das. Jetzt heißt es tapfer sein.«
    Sie tat einen weiteren Schritt auf das Unvermeidliche zu. Miss LaFosses seidenweicher Pelz umhüllte sie nach wie vor, aber nur faktisch, nicht gedanklich. In Gedanken trug
Miss Pettigrew bereits wieder ihren alten Tweedmantel, ihren lädierten Filzhut, ihre an den Hacken abgelaufenen Schuhe. In Gedanken war sie wieder die unfähige Gouvernante, der es an Spritzigkeit, Tatkraft und Charme mangelte. Kein Mann würde jemals an ihrem wahren Selbst Gefallen finden. Flirten war ein reizvolles Spiel. Die Männer wussten, dass Schmeicheleien von ihnen erwartet wurden, und leisteten dem Wunsch Folge, erwarteten aber ihrerseits, dass man ihre Bemerkungen ähnlich beifällig aufnahm. Nur aufgrund ihrer vollständigen Ahnungslosigkeit hatte sie, Miss Pettigrew, alles für bare Münze genommen. Wenn sie morgen in ihrer eigentlichen Aufmachung erschien – würde Mr. Blomfield dann nicht händeringend darüber nachsinnen, was um alles in der Welt er mit ihr anstellen und wie er sie auf höfliche Art und Weise wieder loswerden sollte? Was für eine Kränkung, welche Schmach und Schande. Dem war sie nicht gewachsen. Nie wieder würde sie sich in seine Nähe begeben.
    »Nein … nein. Auf keinen Fall«, flüsterte Miss Pettigrew vor sich hin. »Wenigstens wird er mich immer so in Erinnerung behalten, wie er mich heute Abend gesehen hat.«
    Sekunden vertickten zu Minuten, und sie stand immer noch vor Miss LaFosses Tür, konnte sich nicht überwinden zu klingeln, dem Ganzen ein Ende zu machen.
    »Sie waren so freundlich zu mir, meine Liebe«, dachte Miss Pettigrew. »Ich werde Ihnen keine Peinlichkeiten bereiten.«
    Langsam hob sie die Hand und drückte auf die Klingel. Drinnen schrillte es. Ein kurzer Augenblick, dann flog die Tür auf.
    »Guinevere«, rief Miss LaFosse. »Sie böses, böses Mädchen. Sie alte Herumtreiberin. Wo haben Sie bloß gesteckt? Ich dachte schon, Sie wären mir ausgebüxt. Kommen Sie
auf der Stelle herein. Hat Joe Sie verführt? Ich bin auf alles gefasst.«
    Miss LaFosse sah ebenso liebreizend aus wie bei ihrem ersten Zusammentreffen, wenn auch sehr viel glücklicher.
    »Ich habe es sehr ei…«, setzte Miss Pettigrew, immer noch entschlossen, ein wenig zittrig an. Doch der freudige Empfang machte Miss Pettigrews gute Vorsätze sofort wieder zunichte.
    »Husch an den Kamin«, befahl Miss LaFosse. »Sie sind ja halb erfroren. Michael, beweg diese träge Masse da
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