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Miss Pettigrews grosser Tag

Titel: Miss Pettigrews grosser Tag
Autoren: Winifred Watson
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vom Feuer weg.«
    Miss Pettigrew wurde zum Kamin gezerrt. Michael sprang auf, schloss sie in die Arme, hob sie hoch und verpasste ihr einen schallenden Kuss.
    »Ich habe noch nie ein so dringendes Bedürfnis danach gehabt, eine Frau zu umarmen. Nein. Nicht einmal bei dir, Delysia. Ich wäre die ganze Nacht aufgeblieben, bis Sie kämen.«
    Miss Pettigrew blickte verwirrt vom einen zur anderen. Ihr war schleierhaft, was dieser Überschwang bedeuten sollte. Sie hatte schon genug mit ihren eigenen Problemen zu tun. Was nicht hieß, dass sie die Zuwendungen nicht genoss. O doch, das tat sie. Wer hätte gedacht, dass diese Küsserei so durch und durch erfreulich war? Schon jetzt schmachtete sie nach weiteren Küssen. Was sie tun würde, wenn sie zu ihrem alten Leben zurückkehrte und ihr nichts dergleichen mehr beschert wäre, wusste sie nicht zu sagen. Miss LaFosse strich um sie herum und bedachte sie beide mit einem strahlenden Lächeln.
    »Darf ich Ihnen aus dem Mantel helfen?«, fragte sie.
    »Setzen Sie sich hierher«, sagte Michael.
    Das Feuer brannte hell. Das Sofa wurde näher zur Wärme hingerückt. Auf einem Beistelltisch standen Tassen und eine
Kanne Kaffee. Der anheimelnde Geruch erfüllte den Raum, der verführerische Duft nahm ihr den Mut. Miss Pettigrew zwang sich zum Sprechen.
    »Ich habe es wirklich …«, setzte sie tapfer ein zweites Mal an.
    »Nehmen Sie doch einen Kaffee«, sagte Michael. »Sie müssen unbedingt eine Tasse Kaffee trinken. Die Kälte in solchen Nächten ist nicht zu unterschätzen. Klare, frostige Tage sind mir hundertmal lieber.«
    Er griff zur Kanne, und schon hielt Miss Pettigrew eine dampfende Tasse in der Hand.
    »Ich möchte auch noch eine«, sagte Miss LaFosse.
    »Ich auch«, sagte Michael.
    »Nun setzen Sie sich schon«, sagte Miss LaFosse. »Rücken Sie nah ans Feuer. Wir haben doch so viel zu besprechen. Wo haben Sie bloß so lange gesteckt?«
    »Ich zuerst«, sagte Michael. »Ich muss einfach wissen, wie …«
    Das Telefon klingelte.
    »Na was denn!«, sagte Miss LaFosse und erhob sich. »Um diese Zeit! Ist da nicht anzunehmen, dass ich längst im Bett bin?«
    »Ich denke mal, sie kennen dich«, sagte Michael.
    Miss LaFosse nahm ab.
    »Hallo! … Ja. Wer ist dran? … Ja. … Sicher. … Okay … Nicht zu früh. Ich lasse das Vögelchen schon nicht entwischen. … Gute Nacht.«
    Miss Pettigrew hatte sich erhoben und ihre Kaffeetasse abgestellt. Telefonklingeln war immer bedeutsam. Es konnte alles und jedes heißen. Michael war ebenfalls aufgestanden und hatte sich seiner Tasse entledigt. Er wirkte leicht angespannt. Wenn Caldarelli, dieser abgefeimte Schurke, in letzter Minute doch noch losschlagen wollte,
würde er ihm den Garaus machen. Bei Gott! Und wenn er ihn eigenhändig ermorden musste.
    »Alles im Lot«, sagte Miss LaFosse beiläufig. »Nur ein guter Bekannter.«
    Michael entspannte sichtlich und strahlte Miss Pettigrew an, die immer noch ein wenig unentschlossen dastand und versuchte, Mut für ihren unehrenhaften Abgang zu schöpfen.
    »Nun setzen Sie sich doch endlich und erzählen Sie, wo Sie sich herumgetrieben haben«, gebot Miss LaFosse erneut.
    »Ich zuerst«, sagte Michael. »Ich muss es einfach wissen. Ich gebe keine Ruhe, bis ich es weiß. Wie haben Sie das gemacht? Wie sind Sie auf diesen Geistesblitz verfallen? Wie kann eine in allen Ehren unverheiratete Dame sich so über die Anstandsregeln hinwegsetzen? Ich bin wahrhaftig kein Spießer, trotzdem wäre es mir nie in den Sinn gekommen, in Missachtung aller Gesetze dem Kerl einen Kinnhaken zu versetzen. Ich stand da wie ein Schwein vor seinem Schlächter, und Sie haben mich im entscheidenden Moment dazu gebracht, so vernünftig und männlich aufzutreten, wie es schon Monate zuvor angebracht gewesen wäre.«
    »Oh!« Miss Pettigrew ging ein Licht auf.
    »Bitte sagen Sie es mir«, setzte Michael ihr zu. »Wie sind Sie auf die Idee gekommen?«
    Miss Pettigrew blickte ein wenig verlegen. Es ließ sich alles so einfach erklären, aber wenn sie ihr unbedingt zu Füßen liegen wollten, nun gut, dann sollten sie.
    »Erzählen Sie es uns«, bat Michael.
    »Ethel M. Dell«, sagte Miss Pettigrew.
    »Hä?«, kam es von Michael.
    »Sie sprechen in Rätseln«, sagte Miss LaFosse.

    »Ganz einfach«, sagte Miss Pettigrew bescheiden.
    »Für Sie vielleicht«, sagte Miss LaFosse, »aber nicht für mich.«
    »Sprechen Sie«, sagte Michael.
    Miss Pettigrew stand im Rampenlicht. Jetzt oder nie.
    »Oh!«, sagte sie zittrig.
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