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Miss Pettigrews grosser Tag

Titel: Miss Pettigrews grosser Tag
Autoren: Winifred Watson
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formidables Temperament, das zu den unpassendsten Gelegenheiten zum Vorschein kam.

    Außerdem hatte er keinesfalls vor, auf einem einsamen Sofa zu schlafen. Auch er bevorzugte für die Nachtruhe ein bequemes Bett. Die Couch plus Miss LaFosse hätte vielleicht einen gewissen Reiz gehabt, nicht jedoch die Couch als Ruheplätzchen, während Miss LaFosse in aufreizender Unschuld nebenan schlief.
    Er griff nach Mantel und Hut. Miss LaFosse schlich nervös um ihn herum. Schweigend zog er sich an und wandte sich zur Tür. In Miss LaFosses Miene lieferten sich Festigkeit, Unschlüssigkeit und Nachgiebigkeit einen erbitterten Kampf.
    »Wenn sie jetzt weich wird«, dachte Miss Pettigrew, »ist sie geliefert. Mehr kann ich nicht tun. Wenn er ohne ein Wort fortgeht, läuft sie ihm am Ende noch nach.«
    Dann ließ Nick sich vernehmen.
    »Vielleicht hätte ich kabeln sollen.«
    Miss Pettigrew holte tief Luft. Miss LaFosse knetete nervös die Hände. Sie lächelte zaghaft, bittend.
    »Es … es tut mir schrecklich leid.«
    »Also dann bis morgen.«
    »Bis morgen«, versicherte Miss LaFosse eilig.
    »Vielleicht«, dachte Miss Pettigrew grimmig.
    »Zum Lunch.«
    »Zum Lunch«, stimmte Miss LaFosse zu.
    Er nahm sie bei den Oberarmen und zog sie an sich.
    »Du hältst dich ja schließlich noch länger.«
    Miss Pettigrew fand sein Gesicht – jung an Jahren, alt an Erfahrung – ein wenig beängstigend. Er umfasste Miss LaFosses Kinn und zog es zu sich empor.
    »Kann nicht schaden, wenn man auf etwas Schönes ein bisschen warten muss.«
    Er küsste sie. Die Tür schloss sich hinter ihm.

VIERTES KAPITEL
    12:52 – 13:17
     
     
    K aum war die Tür hinter Nick ins Schloss gefallen, löste sich die Anspannung. Es war, als käme man aus dichtem Nebel in frische, klare Luft. Miss Pettigrew schöpfte tief Atem. Ihre Beine fühlten sich an wie Wackelpudding. Die durchstandenen Aufregungen zeigten Wirkung. Sie fühlte sich schwach, aufgelöst und vollkommen durcheinander, setzte sich auf den nächstbesten Stuhl und brach in Tränen aus.
    Miss LaFosse stand da und starrte auf die geschlossene Tür. Nick war fort. Sie hatte ihn gehen lassen. Und wusste nicht warum. Sie war eine Närrin. Nie hatte sie ihn so heiß begehrt wie nun, da er fort war. Miss Pettigrews Schluchzen ließ sie herumfahren – und über der Sorge um sie alles vergessen.
    »Nicht doch. Nicht doch, bitte.«
    All ihre schrecklichen Verfehlungen stürmten auf Miss Pettigrew ein: die Lügen, die Drinks, die hässlichen Wörter.
    »In meinem ganzen Leben habe ich noch niemals geflucht, bis heute«, jammerte Miss Pettigrew.
    »Nein?«, staunte Miss LaFosse.
    »Niemals. Nicht einmal in Gedanken. Unser Pfarrer hat einmal gesagt, in Gedanken zu fluchen sei genauso schlimm und noch feiger, als lauthals zu fluchen. Er tat weder das eine noch das andere.«

    »Was für ein Mann!«, sagte Miss LaFosse ehrfürchtig.
    »Das war er allerdings«, pflichtete Miss Pettigrew ihr bei.
    »Aber ich habe Sie gar nicht fluchen hören«, versuchte Miss LaFosse sie zu trösten.
    »Sie waren sicherlich zu aufgeregt. Ich sagte ›verdammt‹ und ›zum Teufel‹ und … meinte es auch so.«
    »Ach so!«, sagte Miss LaFosse mit einem beruhigenden Lächeln. »Das sind doch keine Flüche. Das sind nur Ausdrücke. Glauben Sie mir, Wörter kommen auch aus der Mode, so wie alles andere. Soviel ich weiß, zählen die nicht mehr zu der sündigen Kategorie. Und wissen Sie was? Ich glaube, Sie könnten noch einen Drink gebrauchen.«
    Sie ging zu dem Tablett, entnahm der Sherryflasche ein weiteres gehöriges Quantum und stellte das randvolle Glas vor Miss Pettigrew hin.
    »Greifen Sie zu. Es ist bloß Sherry. Ich weiß, dass Sie vormittags lieber was Leichtes trinken.«
    Miss Pettigrew sah auf. Ihre Tränen versiegten. Ihre Erinnerung kehrte zurück. Ihr Gesicht erglühte vor Staunen.
    »Oh!«, keuchte sie. »Oh, ich habe es tatsächlich geschafft. Ich habe die Situation gemeistert.«
    »Meine Güte!«, sagte Miss LaFosse ehrerbietig. »Das kann man wohl sagen.«
    Miss Pettigrews Augen begannen durch den Tränenschleier zu glänzen. Sie fühlte sich zittrig, verwirrt und fassungslos zugleich.
    »Ich habe es geschafft. Ich habe die Situation gerettet.«
    »Schnell«, drängte Miss LaFosse. »Trinken Sie Ihren Sherry und sagen Sie mir, wie Sie das gemacht haben.«
    »Nein, danke, meine Liebe«, sagte Miss Pettigrew. »Ich hatte schon zwei und dabei ein wenig nur so getan, als
tränke ich. Eine kluge Frau kennt ihre
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