Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Miss Pettigrews grosser Tag

Titel: Miss Pettigrews grosser Tag
Autoren: Winifred Watson
Vom Netzwerk:
einzuwenden hat, geht es Sie einen feuchten Kehricht an. Wenn ich Stumpen rauchen will, dann rauche ich Stumpen und nicht diese verdammten albernen Zigaretten. In meinem Alter kann man sich das ein oder andere gönnen, und genau das habe ich vor, ganz gleich, was zum Teufel Sie darüber denken. Bedienen Sie sich. Ich kann sie nur empfehlen.«
    Miss Pettigrew öffnete ihre Tasche und nahm ein abgegriffenes Päckchen Stumpen heraus, das sie ihm hinhielt. Ein kritischer Moment. Sie schnaubte und blickte finster.
    Nick war geschlagen. Er nahm das Päckchen entgegen und verglich die Stumpen, ließ den halb gerauchten vom Aschenbecher zu Boden fallen und zertrat ihn mit dem Absatz. Dann ging er zu Miss LaFosse, beugte sich über sie und sagte in sanftem Ton, der Miss Pettigrew schaudern ließ:

    »Du würdest mich doch nicht zum Narren halten, oder?«
    Miss LaFosse erholte sich wie der Blitz. Schließlich war sie nicht umsonst Schauspielerin. Sie sprang auf und wedelte verdrossen mit der Hand.
    »Ach, Herrgott noch mal, Nick! Musst du dich immer so aufspielen? Ich habe doch gesagt, dass ich hier keinen Herrenbesuch empfange. Bist du nun zufrieden? Wo bleibt der Drink, oder muss ich ihn mir etwa selbst holen?«
    »Entschuldige.«
    Im nächsten Moment schlang er den Arm um Miss LaFosse und küsste sie. Miss Pettigrew vollführte einen hastigen Abgang ins Schlafzimmer.
    »Du liebe Güte!«, japste sie, allein mit sich. »Vielleicht sind drei doch einer zu viel. Ich wusste gar nicht, dass es solche Küsse überhaupt gibt.«
    Nach ihrer Vorstellung als Mrs. Brummegan fühlte sie sich zittrig und dem Umsinken nahe, doch das durfte nicht sein. Sie musste Mrs. Brummegan durchhalten bis zum Ende. In der Hitze des Gefechts dachte sie nicht daran, dass es für alle Beteiligten das Beste wäre, wenn Nick einen Tobsuchtsanfall bekäme und zornbebend die Wohnung verließe. Er hatte sie und Miss LaFosse zu Tode erschreckt. Das durfte er nicht noch einmal tun. Miss Pettigrew musterte sich hastig im Spiegel und kehrte ins Wohnzimmer zurück.
    Gerade brachte Nick die Getränke auf einem Tablett herein. Miss LaFosse saß still da und verströmte das strahlende Lächeln einer Frau, die soeben ausgiebig und zufriedenstellend geküsst worden war. Es rührte Miss Pettigrew zutiefst, wie wehrlos sie wirkte. Dann durchfuhr sie ein Ruck.
    »Er hat sie wieder an der Angel«, dachte Miss Pettigrew, »aber das lasse ich nicht zu. Ich rette sie schon noch.«
    Nick brachte ihr das gewünschte Getränk. Miss Pettigrew griff wortlos nach dem Glas und leerte es wie eine
gelernte Säuferin, ohne auch nur einen Gedanken an die möglichen Auswirkungen auf ihre geistige Verfassung zu verschwenden.
    »Das war sehr gut«, bemerkte Miss Pettigrew. »Ich nehme noch einen.«
    Miss LaFosse und Nick nippten noch an ihrem ersten Drink. Nick warf ihr einen beifälligen Blick zu. Sie war in seiner Wertschätzung gestiegen. Die alte Schrulle hatte Mumm: rauchte Stumpen und soff wie ein Loch.
    »Bestimmt nicht doch einen Whiskey?«, sagte er einladend. »Ist sicher noch was im Schrank.«
    »Nein, danke«, erwiderte Miss Pettigrew verbindlich. »Vormittags bevorzuge ich Leichteres.«
    In ihrer Stimme schwangen Andeutungen auf wüste nächtliche Ausschweifungen mit.
    »Herrjemine!«, dachte sie verstört. »Bin das wirklich ich, die so redet? Was ist bloß in mich gefahren? Was geschieht mit mir?«
    Aber eigentlich – eigentlich war es ihr egal. Derlei Fragen waren nur ein schuldbewusstes, beschwichtigendes Zugeständnis an die Werte, die sie bisher hochgehalten hatte. Die Abenteuerlust war ihr ins Blut gefahren – und der Sherry ihr vielleicht ein wenig in den Kopf gestiegen. Sie war zu allem bereit.
    Nick brachte ihr das aufgefüllte Glas.
    »Junger Mann«, sagte Miss Pettigrew, »wenn Sie sich nicht wie ein hysterisches altes Weib aufführen, finde ich Sie eigentlich ganz sympathisch.«
    »Danke«, sagte Nick und grinste. »Sie haben Format.«
    Sie prosteten einander zu.
    Das freundliche kleine Intermezzo hatte Miss Pettigrews Entschlossenheit keineswegs gemindert. Sie musste Miss LaFosse seinen Klauen entreißen. Es handelte sich lediglich
um den Austausch von Artigkeiten während eines Waffenstillstands.
    Sie tranken aus. Nick stand auf.
    »Muss noch zu Dalton. Geschäftsangelegenheiten. Sonst würde ich dich zum Mittagessen ausführen. Er steuert die Hälfte des Geldes bei, und wir machen ein neues Lokal auf. Kann’s nicht riskieren, ihn zu verärgern. Wir sehen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher