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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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zusammen. Überall wird gewerkelt, dazu läuft laute Musik, Sektkorken knallen und zwischen den halb aufgebauten Möbeln wird getanzt. Irgendwann finde ich mich neben Isa wieder, sprachlos und begeistert.
    Unser Häschen wirkt etwas nervös. »Glaubst du, dass Jenny die wirklich alle kennt?«, fragt sie mich ängstlich. »Und was meinst du, wie wohl morgen die Wohnung aussieht?«
    Aber ich bin entschlossen, die Party zu genießen. Gut, ein bisschen verunsichert könnte man schon werden, wenn man das bunte Gewusel in unserer Wohnung beobachtet: Sind die Berliner tatsächlich alle so selbstbewusst? Und sehen sie wirklich alle so gut aus? Oder kennt Jenny nur die Styling-Elite? Da sind Mädchen in schrillen Kleidern, offenbar alle ohne Figurprobleme. (Zumindest wenn sie sich sonst auch so hemmungslos die Chips reinschaufeln, dürften sie nicht so aussehen!) Noch einschüchternder sind die, die wirken, als hätten sie sich gar keine Mühe gegeben und würden von ganz allein wie aus dem Nobeljeans-Katalog aussehen. Das Haar sitzt – und wenn es beim Tanzen verstrubbelt, sieht es trotzdem super aus. Ich werde beim Tanzen rot und bin immer erschrocken, wenn ich im Disco-Klospiegel sehe, was das Rumgehopse aus meiner Frisur gemacht hat. Solche Sorgen scheinen denen hier fremd zu sein. Selbst die Jungs haben richtige Frisuren – und wegen der unleugbaren Spontaneität der Party muss man annehmen, dass sie die immer haben. Und tanzen können die auch noch. Sie trauen sich einfach.
    Nur um das klarzustellen: Ich finde mich selbst keineswegs hässlich, im Gegenteil – ich glaube mir schon Hoffnungen machen zu dürfen, als halbwegs attraktiv zu gelten. Nur die Haare sind etwas widerspenstig und stehen an Regentagen wild vom Kopf ab. Aber heute liegen sie akzeptabel – und habe ich schon gesagt, dass ich heute unglaubliche Schuhe trage? (Ich bin nicht eitel, aber keine Frau möchte nur durch innere Werte gefallen.) Doch akzeptable Frisur hin oder her – mit denen hier komme ich nicht mit! … Hilfe, was soll denn das?! Ich bin eine der Hauptpersonen auf der wildesten Party meiner letzten Jahre und grüble über meinen Platz auf der Look-Rangliste?! Nein, Lena, jetzt muss Schluss sein mit den Selbstzweifeln. Das ist doch deine Chance! Die hier wissen nichts von den gedämpften Partys in Lübeck, nicht, dass du das erste Mal auf solch kühnen Absätzen stehst. Wenn du dich jetzt einfach gibst, wie du immer sein wolltest, denken sie, dass du schon immer so warst! Ich mische michins Getümmel. Jenny reicht mir eine Sektflasche und ein niedlicher Junge zieht mich auf die Tanzfläche. Hossa, neues Leben, hier bin ich!
    Nur schade, dass ich in den neuen High Heels nicht richtig tanzen kann. Ich hätte nicht gedacht, dass der Abstand zwischen den 7-Zentimeter-Absätzen, die ich beim Studentenball getragen habe, und den 11 Zentimetern meiner Neuerwerbung so gravierend ist. Aber drei peinliche Umknicker vor Zeugen belehren mich eines Besseren. Ich muss mich setzen. Also geselle ich mich zu einer Gruppe Mädels, die in unserer Küche das Geschirr einräumen. Im Sitzen packe ich die Küchen-Kisten aus und verschaffe mir einen Überblick: Wir haben drei Wasserkocher, aber keine Kaffeekanne, drei Salatschüsseln, aber keine Pfanne. (Klar, ich selbst habe bei meiner Grundausstattungs-Tour in Lübeck auch nur stilvolle Sektgläser eingekauft und gedacht, dass eine der anderen bestimmt Pfannenwender mitbringt.) Die Mädchen schnattern durcheinander, ich bin bald mitten im Gespräch und als eines der lauten Mädels »irre Schuhe« zu mir sagt, bin ich auch mit dem unbequemen Schuhwerk versöhnt. Ich erzähle von Lübeck, von der Klinik, von meinen Eltern. Im Gegenzug erfahre ich einiges über Jenny. Sie hat Medizin studiert, weil der Arztberuf in ihrer Familie Tradition ist. Ihr Vater ist ebenfalls Mediziner und erwartet viel von seiner Tochter. Jenny scheint sehr ehrgeizig zu sein, ihre Freundinnen verraten mir aber auch, dass Jenny die hervorragenden Prüfungsergebnisse nicht nur der unermüdlichen Arbeit zu verdanken hat. Scheinbar ist sie der Typ, der mit Tricks arbeitet, und die Mädchen munkeln, in der gefürchteten Anatomieprüfung hätte sie einfach den Professor umgarnt. Außerdem heißt es, Jenny werde von ihrer Mutter regelmäßig mit schicken Klamotten versorgt, die sie
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