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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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Cafeteria und meine nächste Oberarztbegegnung wird verschoben. Also vorerst alles bombig.
    Na prima. Jetzt sage ich das auch schon.

D ie Visite ist ein Traum. So habe ich mir das PJ vorgestellt. Dr. Ross, die Stationsärztin der Inneren, macht nicht viele Worte und lässt doch keine Fragen offen. Zu zehnt trotten wir hinter ihr her von Krankenzimmer zu Krankenzimmer und lernen die Patienten und ihre Befunde kennen. Ab morgen nehmen wir »richtig« an der Visite teil und müssen, wie Isa mir ängstlich zuraunt, bestimmt schon Diagnosen stellen. Heute aber geht es nur um uns. Wir werden vorgestellt und die wenigsten Patienten reagieren mit der befürchteten Anfänger-Phobie. Stattdessen erzählen sie uns ihre Krankheitsbilder und wir – wichtig, wichtig – machen eifrig Notizen. Dr. Ross sieht sogar einmal auf meinen Block und lobt meine schöne Schrift. Glückskuli, wer sagt’s denn! Zwar muss Dr. Ross schon wieder auf das Schild an meinem Kittel gucken, um mich zu dem Lob mit Namen ansprechen zu können – offenbar sind 10 Namen in einer halben Stunde zu viel für sie – aber »die mit der schönen Handschrift« zu sein, scheint mir nach dem verkorksten Vormittag das Ziel aller Wünsche.
    Um mein Glück perfekt zu machen, liegt im Zimmer 15, ganz blass unter der gelben Decke, meine kleine Omi. Sie erkennt mich und begrüßt mich reizend als »ihre Retterin«, was mich mal schnell vor der ganzen PJ-Riege auszeichnet. Ja, ich weiß, wir haben heute alle unseren ersten Tag und mit Blutabnahme und Zukunftsängsten angefangen. Aber eine von euch hat schon mal nebenbei auf dem Gang Diagnosen gestellt und fix jemandeneingewiesen! Die staunenden Blicke sind Balsam für meine geschundene zweifelnde Seele. Dr. Ross lässt sich die Zusammenhänge erklären und ich schildere sie, so unbeeindruckt ich nur kann. Sie lässt mich dazu sogar vortreten. Ich halte eine kurze Rede über Pneumonie und wie ich sie erkannt habe und ernte ein zufriedenes Lächeln von Dr. Ross. Danke, danke. Ich habe mir diesen sonnigen Nachmittag doch auch echt verdient, oder?
    Ja, klar. Ich hätte es wissen müssen. Ich war noch nie der Typ, der ungestraft ein solches Hoch erlebt – bei mir folgt auf Sonnenschein immer gleich Sonnenbrand. Der nächste Patient ist Herr Ritter, mein Widersacher von heute Morgen. Der bei der Visite gleich klarstellt, dass er mich schon kennt und äußerst schmerzhafte Erfahrungen mit mir gemacht hat. Danke, Blödmann, mein Hoch ist dahin, mein unverhofftes Ansehen bei den Kollegen verflogen. Infusionen legen können sie alle – glauben sie zumindest. Und jetzt noch mal vor allen zu sagen, dass Herr Ritter ein Weichei ist, ist selbst mir zu blöd. Also stecke ich die Schlappe ein – die nächsten Tage werden ja hoffentlich zeigen, dass nicht ICH hier der Versager war.
    Zum Abschluss der Visite folgt noch eine Vorstellungsrunde bei den Ärzten. Dr. Ross schiebt uns in den Pausenraum der Inneren, wo alle gerade anwesenden Ärzte uns die Hände schütteln und uns willkommen heißen. Die meisten schließen ein paar aufmunternde Worte an, ein paar können sich die unvermeidlichen Scherze (»Solange Sie keinen umbringen, werden wir uns schon verstehen.«) nicht verkneifen. Ich bin nicht bei der Sache. Denn am Ende der Reihe steht Dr. Thalheim. Er lächelt sehr fein über die hektische Röte, die sich blitzartig über Isas Gesicht ausbreitet, als sie ihm die Hand geben muss. Jenny ist die Nächste, dann ich. Was sag ich? Wie gucke ich? Muss ich denn was sagen?
    Jenny schüttelt seine Hand sehr energisch und schließt gleich an, wie gespannt sie auf diese Begegnung war. »Ich habe ja schon viel von Ihnen gehört!«, sagt sie frech. Oh Mann, wenn sie nur nicht so übertreiben würde! Obwohl – alles, was von mirund meiner Patientenbedrohung ablenkt, sollte mir doch recht sein … Dann stehen wir voreinander und alle Rechtfertigungen der Welt fahren in meinem Kopf Karussell. Er schüttelt mir die Hand und ich kann nur hoffen, dass er nicht merkt, wie schwitzig sich meine Handfläche anfühlt.
    Dr. Thalheim lächelt und fragt: »Und Sie sind?« Ich bin perplex. Wie bitte? Soll ich mich umdrehen, damit du mich erkennst? Waren meine Peinlichkeitsmomente für dich ebenso irrelevant wie deine Adelung meiner Beine? Oder ist das nett gemeint
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