Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
Vom Netzwerk:
Schlagabtauschs – überraschend gut gegangen. Und ich kann nicht mal sagen, dass mich unser kleines Geplänkel gestört hat. Ich mag Leute, denen spontane Antworten einfallen und mit denen man sich Verbalgefechte liefern kann. Die »Du bist selber doof«-Kategorie nervt mich seit der Grundschule. Ich könnte mich zur Abwechslung mal ein wenig beglückwünschen, das lief wirklich gut. Jetzt sollte mal der Oberarzt um die Ecke biegen, dann würde er eine ganz andere Anfängerin zu sehen kriegen als gestern! Okay. Wenn ich es schaffe, eine Minute die Luft anzuhalten, ist der Nächste, der über den Flur kommt, Dr. Thalheim. Ich lehne mich an die Wand und hole tief Luft. Konzentriert halte ich den Atem an, das wäre doch gelacht. Ich höre meinen Herzschlag – und um mich herum die beruhigenden Krankenhausgeräusche. Ich schließe die Augen. Irgendwo reden Menschen, ein Fahrstuhl summt, das Klappern eines Geschirrwagens, irgendwo läuft ein Fernseher, eine der automatischen Türen surrt. Ich liebe diese Geräuschkulisse. Geschäftigkeit, aber keine Hektik. Besonnene Disziplin. Schritte auf dem Flur.
    Ich öffne die Augen und schnappe nach Luft. Was ist?! Das wardoch eine Minute! Und dann – jeder, der orakelt, kann meine tiefe Befriedigung nachvollziehen – ist er da. Dr. Thalheim kommt direkt auf mich zu. Ich bin die Orakelkönigin. Heute habe ich gar keine Berührungsängste; ich lächle dem Oberarzt entgegen.
    Â»Und?«, fragt er. »Ging es heute besser?«
    Ich starre ihn an. Woher weiß er …? Verdammt, jetzt kapiere ich. Er weiß sehr wohl, wer ich bin. Er weiß von der Auseinandersetzung mit Manuel Ritter; er weiß, dass ich es war, auf die sich die Beschwerde bezog. Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich ihn nicht herbeiorakelt! Ich stammle, dass es heute sehr gut lief.
    Â»Der Patient hat mich gestern angeklingelt, wissen Sie?« Ich sehe zu Boden und nicke. War ja klar, dass noch eine Ermahnung kommen musste. Und höchst anständig, dass er das nicht gestern vor allen gemacht hat.
    Â»Er fragte nach der Wahrscheinlichkeit für eine Schädelöffnung.«
    Ich weiß, ich weiß, das hätte ich niemals sagen dürfen. Ich könnte in dem gefliesten Boden versinken. Aber immerhin, funkelt ein leiser aufmüpfiger Gedanke in meinem Hirn, hast du Herrn Ritter offenbar echt Angst gemacht. Deshalb bringe ich es fertig, mich nicht zu rechtfertigen, sondern nur zu entschuldigen. Irre ich mich oder wirkt Dr. Thalheim wirklich weniger sauer als belustigt?
    Â»Ich habe ihn diesbezüglich beruhigt«, sagt der Oberarzt, »und hoffe nur, dass Sie heute keine noch drastischeren Operationen angekündigt haben.«
    Ich wage endlich aufzusehen und schüttle brav den Kopf.
    Dr. Thalheim lächelt. »Wissen Sie, Fräulein Weissenbach, wir drohen hier nicht mit Schädelöffnungen.« Ich nicke wieder. Er wendet sich zum Gehen, dann dreht er sich noch mal um. Und grinst. »Wir machen es einfach.« Perplex sehe ich ihm nach. Was für ein cooler Typ!
    Mein Hoch nach dieser Begegnung ist unbeschreiblich. Bis das Fernsehgeräusch wieder in mein Bewusstsein dringt. Eskommt eindeutig aus Zimmer 16. Ich reiße die Tür auf – da liegt Mister »Teddy vergessen« grinsend im Bett und guckt eine bescheuerte Zeichentrickserie! Nicht nur, dass er die Kiste unverfroren wieder eingeschaltet hat; er muss auch noch aufgestanden sein, um sich die Fernbedienung wiederzuholen, die ich auf das Tischchen neben der Tür gelegt hatte! Habe ich denn gar keine Autorität?! Ich funkele den bösesten Strenge-Ärztinnen-Blick. Sein Grinsen schläft ein. Aber er denkt nicht daran, die Glotze abzuschalten. Ruhig gehe ich auf ihn zu und nehme ihm die Fernbedienung aus der Hand – und siehe da, er lässt es geschehen.
    Â»Wenn du gern sechs Wochen hierbleiben möchtest, ist das der richtige Weg«, sage ich gelassen. »Aber ich wäre froh, wenn es etwas schneller ginge. Also lieg jetzt bitte drei Tage still und dann sind wir einander los.« Ich schalte den Fernseher ab und will gehen. Diesmal stecke ich die Fernbedienung in die Kitteltasche, nur zur Sicherheit. Ja, ja, das ging zu leicht.
    Ich bin noch nicht an der Tür, als Manuel Ritter sagt: »Spiel dich nicht so auf, Schatz!« Ich fahre herum. Er grinst frech. »Ich weiß, dass du keine Ärztin
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher