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Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Titel: Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser
Autoren: Carola Dunn
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sirrten noch mehr Insekten. Sie spuckte aufs Taschentuch, wischte sich den Arm ab und eilte zurück zum Haus.
    Zwei Gestalten an der Terrassen-Balustrade hoben sich beidseits der Treppe dunkel vor den hell erleuchteten Salon-fenstern ab. Zwei rote Lichtpunkte glühten in der Dämmerung.
    Die Gestalt zu Daisys Rechten war kleiner als die andere.
    Horace Bott, dachte sie, und seine Woodbines. Ein Wölkchen Zigarettenrauchs, eindeutig billigster Herkunft, erkämpfte sich den Weg in ihre Nase, durch das schwere Parfum der Rosen hindurch.
    Sie seufzte. Sie konnte nicht gut an den beiden vorbei-spazieren, ohne das eine oder andere Wort mit ihnen zu wechseln. Immerhin vertrieb der Rauch auch die Stechmücken.
    Als sie die Treppe hochging, wandte sich der andere Mann zu ihr. Im Licht der Fenster erkannte sie Basil DeLancey, und einen Augenblick später traf sie der Gestank seiner Zigarre wie ein Schlag. Ohne Zweifel ein teures Kraut, doch der Geruch war ganz und gar widerlich – sicher bestens geeignet, Mücken zu Tausenden in die Flucht zu schlagen.
    Sie hustete. Im selben Moment flogen zwei rotglühende Punkte im hohen Bogen herab und landeten unter den Rosenbüschen.
    »Ach, wie ärgerlich!« murmelte Daisy vor sich hin.
    Es schien, als wollten sie sich alle beide mit ihr unterhalten.
    Wenn sie oben innehielt und zuließ, daß sie sich ihr näherten, würde sie bestimmt Bott vor DeLanceys Anwürfen in Schutz nehmen müssen. Vielleicht konnte sie ja zwischen Skylla und Charybdis hindurchsegeln, indem sie einfach trällerte: »Was für ein himmlischer Abend! Gute Nacht.«
    »Himmlischer Abend!« bekam sie auch hin.
    »Morgen soll es aber heiß werden. Da wird das Rudern anstrengend.« Bott ging als erster zum Angriff über. »Aber das 32
    ist immer noch besser als Regen oder Gegenwind«, räumte er ein.
    Daisy wandte sich ihm zu. Er war in vielerlei Hinsicht das geringere Übel, und es würde ihn nicht nur beleidigen, sondern wirklich verletzen, wenn sie ihn ignorierte. »Ich vermute, Gegenwind macht das Leben eines Steuermannes
    außerordentlich schwer«, sagte sie.
    »Die Rennstrecke ist nur fünfundzwanzig Meter breit.
    Wenn da ein Windvektor von gerade mal …«
    Daisy lachte. »Bitte keine detaillierten technischen Erläu-terungen. Meine naturwissenschaftliche Ausbildung an der Schule beschränkte sich auf den Grundsatz: ›Was man nicht sehen kann, wird einem auch nicht schaden.‹ Sie studieren ein naturwissenschaftliches Fach?«
    »Und Mathematik«, sagte DeLancey gelangweilt und ge-
    sellte sich zu ihnen. »Was könnte man auch anderes von dem Balg eines Ladenbesitzers erwarten?«
    »Jedenfalls bessere Manieren, als ich sie anscheinend von dem Balg eines Earl erwarten kann!« zischte Daisy. Zu ihrer großen Erleichterung kündeten Schritte hinter ihnen auf der Terrasse von der Ankunft weiterer Ruderer. Es waren Poindexter und Leigh, der eine mit angezündeter Zigarette, der andere mit einer Pfeife in der Hand, die er gerade stopfte.
    »Ein wunderbarer Abend«, bemerkte Leigh.
    »Du h-hast gut reden, schließlich hast du gewonnen. Hö-
    hör mal, DeLancey«, fuhr Poindexter fort, »du hast doch was für Whisky übrig, nicht wahr? Lady Cheringham hat von ihrem Butler einen absolut s-splendiden S-scotch hereintra-gen lassen. Du solltest wirklich mal einen Schluck probieren, Bo-bott«, fügte er mit freundlicher Herablassung hinzu.
    »Ich trinke keinen hochprozentigen Alkohol.«
    »Bier ist das Getränk der niederen Klassen«, sagte DeLancey. »Alles, was ein bißchen stärker ist, steigt ihnen gleich in ihr Erbsenhirn.«
    »Also, hö-hör mal!«
    Leigh wandelte sein Lachen rasch in ein Husten um.
    33
    Wutentbrannt nahm Daisy Bott am Arm. »Wollen wir hin-
    eingehen, Mr. Bott? Hier scheint eine Menge äußerst nerven-der Insekten herumzuschwirren.« Sie zog ihn Richtung Glastüren.
    »Sehen Sie«, murmelte er wütend, »nichts bekomme ich
    richtig hin. Die lehnen mich sogar deshalb ab, weil ich Mathematik und Physik studiere anstelle von irgendwelchen toten Sprachen. Ich werde auf jeden Fall das Stipendium von Cambridge annehmen. Da nimmt man Mathe und die Naturwis-
    senschaften wenigstens noch ernst.«
    »Also kann Oxford sich schon darauf freuen, bald von deiner Anwesenheit befreit zu werden?« fragte DeLancey, der sich an Daisys andere Seite gesellt hatte, während sie in den Salon hineingingen.
    Wells und Meredith hatten sich in Stühle gefläzt, Gläser in der Hand. Sie kämpften sich auf die Füße, als Daisy
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