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Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Titel: Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser
Autoren: Carola Dunn
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Minuten kannte. Daisy hoffte inständig, DeLancey würde ihr nicht auch noch seine Seele offenbaren. Sie hatte keine Lust, sein Innenleben zu be-schauen. Der war mindestens genauso unangenehm wie Bott, ohne die verzeihlichen Gründe des unglücklichen kleinen Mannes dafür zu haben.
    DeLancey wirkte nach ihrer Erwiderung eher ratlos. Was auch immer er studieren mochte, Shakespeare gehörte vermutlich nicht dazu. Allerdings begriff er die Bedeutung des Saphirs. Er warf einen höhnischen Blick auf Dottie, die noch immer in ihre Unterhaltung mit Cherry vertieft war, und sagte: »Sie sind auch verlobt, Miss Dalrymple?« Immerhin klang er nicht auf beleidigende Weise überrascht.
    »Mit einem Polizisten«, informierte ihn Daisy.
    »Mit einem …! Aber ich hätte doch gedacht … Ich meine, ist Lord Dalrymple nicht Ihr Bruder?«
    »Nein!« sagte sie nur knapp. Jetzt wurde es spannend, und sie wartete interessiert, wie er darauf reagieren würde.
    »Erzählen Sie mir doch nicht, daß Sie eine von diesen gräß-
    lichen Möchtegern-intellektuellen Frauen sind!«
    »Ich schreibe.«
    »Um Himmels willen! Wie komme ich eigentlich darauf, daß Sie die Schwester vom Honourable Gervaise sein könnten?«
    »Ich war es.«
    »Wie bitte? Sie waren es? Ich meine, der hat doch nicht etwa ins Gras gebissen?«
    »Doch.« Daisy hielt inne, um ihm Zeit für irgendeine
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    Äußerung des Bedauerns zu geben – aber nichts dergleichen geschah. »Sie können ihn doch gar nicht gekannt haben. Zu dieser Zeit waren Sie ja noch ein kleiner Junge.« Und ein sehr verwöhnter, vermutete sie.
    Bei ihrem nachsichtigen Tonfall errötete DeLancey. »Cedric – also mein Bruder – kannte ihn aus Frankreich. Er hat mir oft von ihm erzählt, wenn er Heimaturlaub hatte. Aber Ceddie war vor Kriegsende schon Invalide und ausgemustert, so daß ich nichts weiter gehört … Er wohnt während der Regatta in Crowswood Place.«
    »Auch ein begeisterter Ruderer?«
    »Eigentlich nicht so sehr, höchstens fährt er mal in einem Punt – so einem flachgehenden viereckigen Flußboot, das man staken muß – oder in einem Skiff auf der Isis herum.
    Aber die Regatta ist schließlich ein gesellschaftlicher Glanz-punkt. Ach, übrigens, er und ich und noch ein paar andere wollen heute abend im Phyllis Court Club tanzen gehen.
    Hätten Sie nicht Lust mitzukommen?«
    »Nein, danke«, sagte Daisy. Schade eigentlich, denn obwohl sie keine begeisterte Tänzerin war, war das doch genau die Art Veranstaltung, über die sie an sich schreiben sollte. Aber keine zehn Pferde würden sie dazu bringen, den Abend mit DeLancey zu verbringen.
    Rollo unterbrach die beiden. »Du wirst da auch nicht hingehen, DeLancey. Wir haben gleich morgen das erste Rennen für den Thames Cup. Heute nacht geht keiner auf die Walze.
    Und ich will die Vierer-Ruderer in einer Viertelstunde im Boot sehen, damit wir den Start noch mal trainieren. Würdest du das bitte den anderen sagen?«
    »Ach, ein so charmantes Tête-à-tête möchte ich aber gar nicht gerne unterbrechen«, sagte der Schlagmann sarkastisch.
    »Ich sag es Cherry«, bot Daisy an und stand auf, »und Tante Cynthia bringe ich eine Tasse Tee. Es sieht ja nicht so aus, als würde sie noch zu uns stoßen.«
    Als sie dem Paar an der Balustrade näher kam, hörte sie Dottie heftig sagen: »Und neuntens …«
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    »Bitte entschuldigen Sie, daß ich Ihren neunten Punkt so im Entstehen unterbreche«, mischte sich Daisy schmunzelnd ein, »aber Ihr Kapitän ruft Sie, Cherry. Die Vierergruppe soll in fünfzehn Minuten noch einmal im Boot trainieren.«
    »Bin schon auf dem Weg.« Er küßte Dottie auf die Wange.
    »Vergiß Nummer neun nicht, Liebes. Irgendwann wirst du mich überzeugen.«
    Während sie ihm nachschaute, sagte Dottie voller Wärme:
    »Dieses Riesenbaby hätte doch schon längst zugegeben, daß ich recht habe, wenn ich nicht ein Jahr unter ihm studieren würde.
    Eines muß ich ihm aber zugute halten: Daß ich eine Frau bin, hindert ihn nicht, meine Argumente ernst zu nehmen.«
    »Das würde er wohl nicht wagen, oder?« bemerkte Daisy.
    »Wo doch seine Mutter ein Don ist.«
    Dottie lachte. »Stimmt. Er ist gut erzogen worden. Ach, wie ärgerlich, jetzt ist mein Tee eiskalt, und ich habe gerade mal einen Schluck getrunken. Hoffentlich ist noch welcher für mich da.«
    Gemeinsam kehrten sie an den Teetisch zurück. Daisy
    suchte vergeblich nach einem Keks, einem Stück Kuchen, einem Sandwich, das sie ihrer Tante mitbringen könnte. Aber selbst
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