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Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Titel: Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser
Autoren: Carola Dunn
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etwas zu sagen brauchen. Ich hätte die Jungs schon diszipliniert.«
    22
    »Ist schon in Ordnung, mein Großer«, sagte Tish liebevoll.
    »Mutter sagt, er sei doch selber schuld, wenn er die Mannschaft einlädt. Sie ist das natürlich von Afrika gewöhnt. Da brachte man jeden Europäer auf der Durchreise bei sich unter.
    Vater hat mir wahrscheinlich gar nicht zugehört, als ich ihm das vorschlug. Soll es ihm eine Lehre sein, in Zukunft auf die Worte seiner Tochter zu achten.«
    »Typisch Mann!« sagte Dottie und fügte noch etwas hinzu, was Daisy nicht verstand.
    Cherry erwiderte etwas, das so klang, als sei es in derselben Sprache gesagt.
    »Griechisch«, sagte Tish, als sie Daisys verwirrten Gesichtsausdruck sah. Dottie und Cherry entfernten sich von den anderen und stellten sich ans Terrassengeländer, tief in eine schnell begonnene Debatte versenkt. »Altgriechisch allerdings, nicht die moderne Sprache. Ich verstehe es auch nicht, kann es nur erkennen.«
    »Mir kommt das sehr spanisch vor«, warf Rollo ein und schien mit seinem kleinen Scherz durchaus zufrieden. »Ich hab ein Jahr Griechisch in der Schule gehabt, aber so recht begriffen hab ich es nie. Latein war ja schon schlimm genug.«
    »Also werden Sie wohl im Hauptfach keine der alten Sprachen studieren«, sagte Daisy lachend.
    »Ich doch nicht! Alles schön neusprachlich. Französisch habe ich mühelos gelernt, als wir in Frankreich waren, und Deutsch in der Besatzungszeit. Ich war Verbindungsoffizier –
    damals.«
    »Das muß ungeheuer interessant gewesen sein.«
    »Sehr sogar. Die Aufgabe hat mich begeistert. Der einzige Ärger ist nur, daß eine Sprache zu sprechen was ganz anderes ist, als sie zu schreiben, ganz abgesehen vom Lesen und Literatur-Diskutieren und dem ganzen Kram. Die Aufnahmeprü-
    fung vom Ambrose College hätte ich nie geschafft, wenn es da keine Sonderkonditionen für die Veteranen des Großen Krieges gäbe. Und natürlich, wenn mein Vater nicht auch am Ambrose studiert hätte. Zu dumm, daß ich jetzt durch die 23
    Prüfungen für die Universitätszulassung gefallen bin«, endete er kummervoll.
    »So ein Pech aber auch«, sagte Daisy.
    »Pech kann man das nicht nennen. Ich hätte mal lieber mit dem Rudern aufhören und mich auf meine Prüfungen konzentrieren sollen. Ich weiß, ich bin nicht so schlau wie Cherry, der gleichzeitig gerudert und genug gebüffelt hat, um mit einer ordentlichen Note durchzukommen.« Rollo blickte sich um und senkte die Stimme. »Ganz abgesehen von diesem
    gräßlichen Giftzwerg Bott, der ohne die geringste Mühe Best-noten erreicht.«
    Daisy sah den armen Bott allein auf einer Bank am gegen-
    überliegenden Ende der Terrasse sitzen und übelgelaunt seinen Tee schlürfen. Er tat ihr leid, wieder mal, und dennoch hatte sie keine Lust, sich zu ihm zu setzen. Sie wandte sich wieder Rollo zu.
    »Werden Sie die Prüfungen wiederholen?« fragte sie.
    »Nein.«
    »Ja!« sagte Tish zur selben Zeit. Die beiden warfen sich einen Blick zu.
    Bevor Daisy eine Erklärung erbitten konnte, kam DeLancey heran und präsentierte Tish seine Tasse mit der Bitte um mehr Tee. »Wenn Sie mir diesen Liebesdienst erweisen würden, Ver-ehrteste«, sagte er. Sein schmieriger Ton machte klar, daß seine Worte alles andere als unverfänglich sein sollten. Mit verstei-nertem Gesicht kam Tish seiner Bitte nach.
    Spöttisch lachend wandte sich DeLancey von ihr ab, nahm einen fast schon leeren Teller mit Makronen auf und hielt ihn Daisy hin. »Nehmen Sie sich lieber eine davon, bevor die Jungs auch diesen Rest noch vernichten. Der Süßen Süßes«, sagte er wenig originell.
    Daisy mochte keine gute Schulbildung genossen haben,
    aber ihren Hamlet kannte sie. »Haben Sie vor, mein Grab damit zu bestreuen, Mr. DeLancey?« erkundigte sie sich ironisch. »Ich kann Ihnen versichern, daß ich mich nicht aus un-erwiderter Liebe ertränken werde.«
    24
    Mit der linken Hand nahm sie eine Makrone – schließlich waren sie ihr Lieblingsgebäck –, wobei sie darauf achtete, daß ihr Verlobungsring mit dem Saphir schön in der Sonne funkelte.
    Der Stein war nicht groß, aber er hatte genau die Farbe ihrer Augen. Und von denen sagte Alec immer, ihr unschuldiger Blick brächte die Leute dazu, sich ihr anzuvertrauen. Wie auch er ihr ja vertraute. Schon mehr als einmal hatte er sich ihr gegenüber mehr zufällig als willentlich über seine Fälle geäußert.
    Vor einer Stunde hatte ihr auch Bott sein Herz ausgeschüttet, obwohl er sie gerade mal zwei
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