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Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Titel: Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser
Autoren: Carola Dunn
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der letzte Krümel war verschwunden.
    »Erstaunlich, daß so ein Teegelage ihnen den Appetit aufs Abendessen nicht verderben kann«, sagte Tish, die über den abgeräumten Platten präsidierte. »Hier ist eine Tasse Tee für Mutter, Daisy. Mehr gibt’s nicht. Ach so, übrigens, auf die Kirmes können wir heute doch nicht gehen, denn die Ruderer vom Vierer müssen ja noch einmal trainieren.«
    »Um so schöner, dann kann ich mit Alec hin, wenn er hier ist. Denn mit diesem gräßlichen DeLancey tanzen gehen – nie im Leben! Kennst du seinen Bruder?«
    »Lord DeLancey? Nein, den habe ich nie kennengelernt, aber er ist der älteste Sohn vom Earl of Bicester und um einiges älter als der liebe Basil. Außerdem hat Cherry mir er-zählt …« Tish hielt mitten im Satz inne und lächelte kühl Bott an, der mit seiner Tasse auf den Tisch zusteuerte.
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    »Noch einen Tee, Mr. Bott?« fragte sie. »Sie trinken gern indischen Tee, nicht wahr?«
    »Was ist dabei?« knurrte der Steuermann kampfeslustig.
    Daisy flüchtete. Sie fand Lady Cheringham vor dem Haus, wo sie Rittersporn an einem Stab festband. In der Nähe mähte Bister – vorhin noch der elegant uniformierte Chauffeur, jetzt in Hemdsärmeln, sichtlich abgetragenen Hosen und einem äußerst mitgenommenem Strohhut – das kreis-runde Stück Rasen in der Mitte der Auffahrt. Der Geruch von frischgemähtem Gras wetteiferte mit den verschiedenen Blu-mendüften.
    »Ach du liebes bißchen, hab ich schon wieder den Tee verpaßt?« Vorsichtig trat Lady Cheringham aus dem Gewirr von Blumen und Kräutern heraus. »Vielen Dank, Daisy, Liebes.«
    Sie trank den Tee mit einem Schluck aus.
    Immer noch trug sie die Bluse mit den Tabakwasserflecken, die mittlerweile wahrscheinlich unrettbar von der Bräune befallen war. Auf die Trägerin schienen die Flecken indes keine widrigen Wirkungen gehabt zu haben. Die nassen Stellen trocknen schnell an einem so warmen Tag, dachte Daisy. Sie sollte mal Informationen über die schädlichen Wirkungen von Nikotin zusammentragen, um ihre Tante zu größerer Vorsicht anhalten zu können.
    Nachdem sie ein paar Minuten miteinander geplaudert hatten, ging Daisy zurück ins Haus und setzte sich in Sir Ruperts Bibliothek. Sie lag dem Salon gegenüber, hinten im Haus. In ihr stand ein langer Bibliothekstisch parallel zur Wand, vor dem sich wiederum mehrere Stühle mit gerader Lehne befanden. Bequeme lederbezogene Sessel gruppierten sich, der Jah-reszeit angemessen, vor den Fenstern, daneben kleine Tische.
    Ein großer Schreibtisch aus Walnußbaum mit Schubladen links und rechts war in die Mitte zwischen die Fenster gestellt, durch die Licht auf ihn fiel. Unter Aussparung des Kamins waren die beiden Wände gegenüber von Tür und Fenstern vollständig mit Bücherregalen bedeckt.
    Obwohl die Bücher übersichtlich nach Themen geordnet
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    waren, hatte Daisy nicht die geringste Ahnung, wo sie mit ihrer Suche anfangen sollte. So forstete sie die Regale einige Zeit erfolglos durch. Gerade als sie aufgeben wollte, fiel ihr Blick auf die Bände auf dem Tisch. Unmittelbar vor ihrer Nase lag Henslows Nachschlagewerk Poisonous Plants. Das Kapitel über tropische Giftpflanzen stak voller Lesezeichen.
    Im Register fand Daisy das Stichwort Tabak, schlug die genannte Seite auf und las rasch die Beschreibung durch. Nico-tiana sei ein Nachtschattengewächs, erfuhr sie. In der langen Liste der entsetzlichen Folgen einer Nikotinvergiftung fanden sich Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, verwaschene Sprache und Krämpfe, die schließlich zum Tode führen. Was sie am meisten beunruhigte: Das Zeug war höchst gefährlich, wenn es durch die Haut absorbiert wurde.
    Sofort lief sie los, um ihre Tante zu suchen.
    »Ja, Liebes«, sagte Lady Cheringham abwesend, aber mit klarer und ganz und gar nicht verwaschener Stimme, während sie sich ohne stärkere Anzeichen von Schwindel hinunter-beugte, um ein freches kleines Kreuzkraut unter den Nelken hervorzupulen, »ich zieh mich gleich um. Und ich werd Bister bitten, sich zu vergewissern, ob der Gartenschuppen abgeschlossen ist – obwohl ich sicher bin, daß er das schon getan hat. Wir benutzen Arsen, weißt du, gegen Ratten, und Zyankali gegen Wespennester, glaube ich jedenfalls. Schreckliches Zeug.«
    Daisy hatte das Gefühl, alles getan zu haben, um ihre Tante Cynthia vor einem gräßlichen Tod zu bewahren.

    In noch stärkerem Maß als eben der Tee diente das Abendessen der Energieversorgung der Mannschaft. Beeindruckt verfolgte
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