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Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Titel: Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser
Autoren: Carola Dunn
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Daisy, welche Mengen verschlungen wurden. Unter diesen Umständen gestaltete sich das Gespräch eher wortkarg.
    Mittlerweile hatte Daisy anhand besonderer Merkmale
    wie leichtes Stottern, dünner blonder Schnurrbart und ein Paar beneidenswert langer, dunkler, aufgebogener Wimpern 29
    weiteren Gesichtern Namen geben können: Die vier Männer im zweiten Studienjahr waren Poindexter (der Stotterer), Wells (bewimpert), Meredith (Schnurrbart) und Leigh (ohne was).
    Daisy saß neben Fosdyke, dem einzigen Erstsemester in der Mannschaft – beziehungsweise in beiden Mannschaften.
    Nach Meinung von Rollo war er ein erstklassiger Ruderer; bevor er nach Oxford ging, hatte Fosdyke schon für die St. Paul’s School gerudert. Daher war er Mitglied sowohl des Vierers als auch des Achters von Ambrose. Diese doppelte Belastung, dazu die Gegenwart der älteren Studenten – das waren ohne Zweifel die Gründe dafür, daß er der Schweig-samste in dieser ohnehin schweigsamen Runde war. »Dürfte ich bitte das Salz haben«, war die längste Äußerung, die Daisy während der ganzen Mahlzeit von ihm zu hören bekam.
    Als sie schließlich vom Tisch aufstanden, unterdrückte Fosdyke ein riesiges Gähnen, entschuldigte sich und fuhr fort: »Ich geh zu Bett. Diese Jungs hier kann man ja nicht dazu bringen, halbwegs ernsthaft zu trainieren, ich jedenfalls laufe vor dem Frühstück gerne noch ein paar Kilometer.«
    »Wie schön für Sie«, sagte Daisy lächelnd und verbarg ein Schaudern. Zwar bewunderte sie diejenigen, die solch hervor-ragende Leistungen erbrachten, rückhaltlos. Doch sie selbst hielt Sport für eine Qual, die unter allen Umständen zu vermeiden war.
    Dieselbe Meinung hatte sie von Bridge, wenngleich die Leidenschaft ihrer Mutter für das Spiel sie gezwungen hatte, es zu lernen. Als Leigh, Meredith und Wells sie auf dem Weg in den Salon baten, ihnen die Vierte bei einem Rubber zu sein, schüttelte sie mit bestens gespieltem Bedauern den Kopf.
    »Das ist sehr nett, daß Sie mich dazubitten, aber ich kann gar kein Bridge spielen.«
    »Wir bringen es Ihnen gerne bei.« Meredith gab nicht auf.
    »Im Kartenspielen bin ich eine hoffnungslose Niete. Ich fürchte, mein Partner würde mich umbringen.«
    Die Jungen protestierten matt, aber sie blieb standhaft.
    Und so wurde Poindexter, der eigentlich einen Brief hatte 30
    schreiben wollen, mit dem Versprechen gewonnen, er dürfe als erster Strohmann sein.
    Lady Cheringham hatte sich bereits mit einem Buch über die Gartenkunst niedergelassen. Daisy spazierte durch die hohen Glastüren des Salons auf die Terrasse. Die Sonne war bereits untergegangen, doch der Himmel bot im Westen eine ganze Palette von Rot-Tönen, die vom schimmernden, rosafarbenen Fluß reflektiert wurden. Das Licht würde wohl noch eine Stunde oder sogar länger anhalten.
    Tish und Rollo, Dottie und Cherry standen auf der Terrasse
    – zwei Paare also. Daisy wollte nicht stören und ging langsam weiter hinunter zum Flußufer. Alec fehlte ihr jetzt.
    Morgen abend hätte sie ihn ganz für sich allein, das ganze Wochenende über. So gern sie seine Tochter Belinda mochte, diese Aussicht auf ungestörte zwei Tage war einfach herrlich.
    Er hatte versprochen, für Scotland Yard unter keiner Telephonnummer erreichbar zu sein.
    Nur eines könnte ihr Wochenende verderben: ein schrecklich wichtiger Fall morgen vor seiner Abreise. Daisy wußte, daß die Ehe mit einem Detective nicht einfach würde, und das akzeptierte sie auch. Diese Seite der Dinge lohnte das Nach-grübeln nicht, und so schmiedete sie lieber Pläne für ihre gemeinsame Zeit.
    Ein Skullboot glitt flußaufwärts. Die langsamen, fast träge wirkenden Ruderbewegungen setzten eine Familie von Hau-bentauchern in Bewegung, die von den dunklen Wellenkämmen im rosigen Wasser auf und ab gehoben und gesenkt wurden. Eine Barkasse bog mit leisem Knattern um die Kurve von Hambleden Lock, offenbar um in der Stadt anzulegen. Warnend kreischte sie auf, als sie das Skullboot überholte. Während das Motorengeräusch verebbte, war von der Kirmes die laute Musik einer Dampfpfeifenorgel zu hören, ihr Ton etwas gemildert von der Entfernung. Daisy war froh, daß sie an diesem Abend nicht dorthin gegangen waren. Sie würde mit Alec hingehen und mit ihm zusammen auf dem Riesenrad fahren, wo ein Kuß ganz oben bestimmt Pflicht war.
    31
    »Verflixt!« Sie klatschte sich auf den nackten Arm und zer-drückte eine Mücke. Zu spät, zeigte ihr der Blutfleck auf der Haut. Über ihrem Kopf
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