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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz
Autoren: Ralf Isau
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klaffte. Darunter kam eine weiße Wade mit einem blutroten Strich zum Vorschein. Ergil biss die Zähne z usammen, als sein Retter die Wunde vorsichtig auseinander zog, um ihre Tiefe zu prüfen. Nachdem der heftigste Schmerz abgeebbt war, fragte er: »Wer sei d Ihr , Herr?«
    Ohne von seiner Tätigkeit aufzuschauen, erwiderte der Alte:
    »Versuche dich zu erinnern.«
    Da s tat Ergil, jedoch ohne allzu große Ausdauer. Dann zuckte er abermals die Achseln. »Kann ich nicht.«
    »Ich bin Falgon. Sagt dir der Name etwas?«
    Wieder dachte der Junge angestrengt nach. War da ein Licht, eine flackernde Kerze im dunklen Verlies seiner Erinnerung? Zögernd erwiderte er: »Kann schon sein.«
    »Na, das ist doch schon ein Anfang. Und deiner Wade wird’s auch bald wieder gut gehen. Ist nur ein Kratzer. Lass uns erst mal vom Wasser weggehen – ich traue ihm nicht. Dann versorge ich weiter deine Wunde und bringe dich zur Hütte zurück.«
    »Wollen wir nicht den anderen suchen?«
    »Was?«
    »Na, diesen Twikus.«
    »Ach so!« Falgon fuhr dem Jungen mit den Fingern durchs nasse Haar. »Vergiss, was ich über ihn gesagt habe. Ich bin ein alter Mann und rede manchmal wirres Zeug. Du musst so schnell wie möglich aus den nassen Sachen heraus, sonst holst du dir doch noch den Tod.«

    »Der Große Alte ist auch nicht mehr das, was er mal war. Früher, in meiner Kindheit, da konnte ich den ganzen Tag splitternackt im Wald herumstreifen, ohne zu frieren.« Falgons Stimme klang immer noch gereizt.
    Ergil beäugte den Alten ungläubig von der Seite. »Ihr seid ohne Kleider herumgelaufen?«
    Falgon räusperte sich. »Selbstverständlich nicht. Ich wollte nur sagen, ich hätte nichts anziehen brauchen. Und außerdem habe ich dir gesagt, du sollst mich nicht wie einen edlen Herrn ansprechen. Das gebührt mir nicht und dir auch nicht.«
    »Mir ? Waru m nicht?«
    »Weil du…« Falgon biss sich auf die Unterlippe. »Deine  Wissbegier hast du jedenfalls zurück.«
    »Wo w a r si e denn?«
    »Verschüttet.«
    Der Junge sah wieder fragend zu dem Alten auf.
    »Du warst krank«, fügte dieser hinzu.
    »Wa s hatt e ic h denn?«
    »Dein Geist war… Er hat geschlafen.«
    »Und vom Wasser bin ich wieder aufgewacht.«
    »Ha! Beinahe hätte es dich für immer v e rschlungen.« Falgon schüttelte sein weißes Haupt und murmelte: »Möchte nur wissen, wie er es geschafft hat, dass sich jetzt schon die Naturgewalten mit ihm verschwören.«
    »Wer?«
    »Niemand, der dich zu interessieren hat, solange du noch wie ein Schlafwandler durch den Wald stapfst.«
    »Tu ich ja gar nicht.«
    »Willst du abstreiten, dass ich dich aus dem Wasser gefischt habe?«
    »Nein.«
    »Und wie bist du aus deinem Bett in den Bach gekommen?«
    »Hast du mich hineingestoßen?«
    »Was redest du da, Ergil! Ich hätte euch nie … «
    »Uns?«, hakte der Junge sofort nach. »Wo ist der andere?« Falgon kniff ein Auge zusammen. »Sag du es mir!«
    »Aber du hast ›euch‹ gesagt. Twikus – we r is t das?«
    »Wenn du es nicht selber weißt, dann kann ich es dir auch nich t sagen.«
    »Aber du hast ›euch‹ gesagt«, nörgelte Ergil.
    »So wie du eben ›Ihr‹ zu mir . Wenn du in der Mehrzahl reden darfst, dann kann ich es auch.«
    »Aber du erlaubst das nicht.«
    »Was macht dein Bein?«, lenkte Falgon das Gespräch auf ein anderes Thema. Die linkischen Bewegungen des Jungen wurden durch sein unübersehbares Humpeln fast ins Groteske gesteigert. Möglicherweise wollte er ja nur Mitleid heischen.
    »Der Verband drückt.«
    »Gut.«
    »Es tut aber weh.«
    »Sehr gut!«
    »Abe r warum…?«
    »Wir sind da«, unterbrach der Alte seinen jungen Begleiter und deutete auf eine aus Baumstämmen errichtete Hütte.
    Nachdenklich betrachtete der Junge das Haus. Es kam ihm bekannt vor. »Da wohnst du?«
    »Ja.«
    »Bist du ein Waldläufer?«
    Falgon schmunzelte. »Wie kommst du darauf?«
    »Du hast gesagt, dass du schon als Kind nackt durch diesen  Wald gelaufen bist.«
    Der Alte schnappte nach Luft. »Das habe ich nicht gesagt. Ich bin hier geboren und aufgewachsen und als junger Bursche habe ich den Großen Alten verlassen, um mein Glück in der Welt draußen zu suchen.«
    »Schade, dass du es nicht gefunden hast.«
    »Was?«
    »Wenn du jetzt wieder hier bist, dann hast du das Glück nicht gefunden , oder?«
    Falgon schlug die Handflächen gegeneinander und verdrehte die Augen zu den Baumkronen. »Oh, wie habe ich diesen kleinen Neunmalklug vermisst!«
    »Wen?«
    »Dich, Ergil. De r - de
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