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Mingus

Mingus

Titel: Mingus
Autoren: Keto von Waberer
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Knäuel von Gliedern zwischen dem Grünzeug. Ich sehe nur das Aufblitzen von Gold, zappelnde Beine. Ich will das nicht sehen. Ich mache die Augen zu.
    »Siehst du Blut?«, flüstere ich, ich habe keine Stimme.
    »Mingus! Mingus!« Nin wimmert. »Nein.«
    »Was?«, krächze ich.
    »Sie kämpfen.«
    »Wer ist oben?«
    »Der Präsi, nein, Mingus, Mingus ist …«
    »Und?«
    »Das soll aufhören, aufhören …«
    »Was, was?«
    »Es geht weiter.«
    »Wo ist …«
    Nin schreit, mit offenem Mund.
    »Was ist?« Ich kann nur krächzen. Ich stoße nach ihr.
    »Er fällt hin. Er zuckt.«
    »Wer?«
    »Der Präsi! Der Präsi. Der Präsi!«
    »Mingus?«
    »Steht! Steht daneben. Er steht da. Er steht aufrecht. Schau doch, schau … Er hat ihn geschafft.«
    »Kommt er wieder hoch?«
    Nin umarmt mich und trillert in mein Ohr: »Ge-schahafft. Ge-scha-hafft.«
    Ich schreie. Meine Stimme ist zurück.
    »Robos!«, brüllt Nin in mein Ohr. »Robos!«
    Ich reiße die Augen auf, Robos, Unmengen von Robos. Sie rücken aus dem Wald vor. Es wird ganz still.
    »Guten Morgen, Nin!« Ein großer brauner Hund steht unter dem Baum und schaut zu uns herauf.
    »Gonzo!« Nin rutscht den Stamm hinunter und wirft sich auf das Tier. »Gonzo, schnell, wir müssen etwas tun. Schnell. Die Robos kommen, und Mingus …«
    »Wie wäre es mit Programm Eliminate?«, höre ich den Hund sagen. »Geheimcode X-OO.«
    »X-OO«, brüllt Nin. »Mach schon. Los!«
    Und drüben auf der Wiese sehe sogar ich die metallenen Soldaten umfallen und übereinanderpurzeln, wie von einem Kugelhagel getroffen. »Robos am Boden!«, höre ich mich brüllen. »Robos außer Gefecht.« Ganz so wie ein Kriegsberichterstatter am Avatar.
    Ich reiße das Glas vor die Augen, suche und finde Mingus. Sein Gesicht, ach, sein Gesicht, ich weide mich daran. Sehe die Frau. Ein Opfer ist eine Frau – und schön ist sie. Ich sehe sie in Mingus’ Arme springen. Sie küssen sich. Ich sehe ihre dunklen Haare, die der Wind hebt. Ich sehe, wie Mingus’ Ohren zucken. Der Mann im weißen Hemd steht daneben, und auch auf sein Gesicht richte ich mein Glas. Er sieht säuerlich zu. Mingus und die Frau stehen da, eng umschlungen. Ich bin froh, dass Nin da unten den Hund umarmt.
    Nun gönne ich mir einen Blick auf den Präsi. Ganz intim schaue ich in dieses fleischige Gesicht. Er hat es mir zugedreht, als hielte er es mir zur genauen Besichtigung hin. Ja, mausetot! Schaumig glänzender Schleim überall,vermischt mit abgerissenen Grashalmen, ekelhaft. Nur seine geröteten Augen sind frei. Offen. Sein Helm liegt neben ihm. Rostige Strähnen kleben an seiner unförmig hohen Stirn. Seine Augen sehen mich an. Was hat Mingus mit ihm gemacht? Ich sehe nirgends Blut. Doch, ein bisschen, da, an der Backe des Monsters, wie eine kleine rote Blume.
    »Mach schon, Tara, komm runter. Ich muss zu ihm!«, schreit Nin mit sich überschlagender Stimme. Mir ist übel. Mingus und die Frau halten sich umklammert.
    Ich lasse mir Zeit.
    Das Gras weht, die Geier hüpfen um das Aas. Der goldene Löwe blickt ungerührt über uns hinweg. Wir stehen am Waldrand, und Nin rennt los mit dem Hund und ruft nach Mingus. Der ist weg. Die Frau auch. Dieser Mann kommt mir entgegen. Er ist nackt und zerrt ein schmutziges weißes Bündel mit großer Anstrengung hinter sich her. Er lässt es los und macht einen Satz auf mich zu.
    »Wo ist der Chopper?«, keucht er. »Her mit dem Chopper!« Seine Hände schnellen vor, er hat mich am Hals. »Chopper. Sofort! Willst doch noch ein bisschen leben, alte Frau?« Er zögert. »Ihr Mädchen habt doch einen Chopper?« Er starrt mich böse an. Kommt noch näher …
    Er bekommt einen Handkantenschlag auf den Adamsapfel. Smack! Gut getroffen. Er fällt auf den Rücken, glotzt, schüttelt wild den Kopf, greift sich an den Hals.
    »Willst du mehr?«, frage ich. Er gibt sofort auf.
    »Habt ihr keinen Chopper?«, winselt er. »Wir müssen hier weg, rasch, ehe hier die Hölle losbricht.«
    »Hölle?«, frage ich.
    »Dieser Löwenmensch wird uns alle massakrieren«, schreit er. »Er ist eine Bestie. Hat den Präsi …«
    »Was hast du da?«, frage ich und stoße mit der Zehe an sein Bündel. Goldene Panzerplatten rutschen heraus, der Helm.
    »Ach, so ist das«, sage ich.
    »Hör doch, Frau!«, schreit er. »Ich bin Dr. Matthäus vom Mega-Hospital. Ich kenne mich aus. Von nun an herrscht Chaos. Von nun an gibt es nur noch Anarchie. Wir müssen uns retten. Dazu braucht man Gold. Viel Gold. Der Präsi braucht den
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