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Mingus

Mingus

Titel: Mingus
Autoren: Keto von Waberer
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Ashram.«
    Nin betrachtet mich zweifelnd.
    »Na schön«, sage ich. »Von mir aus, lassen wir das. Wir vergessen das Ganze. Wir machen die Libelle klar, fliegen los und suchen nach Leos Tal. Basta.«
    »Ich wollte, die Kriegerinnen kämen, und Neila käme, und wir könnten … Aber du hast sie wahrscheinlich umgebracht mit deiner scheiß Kichererbsensuppe.«
    »Die kommen schon. Die sind schon unterwegs. Die fliegen los, sobald sie die Libellen wieder hingekriegt haben.«
    »Wir«, schluchzt Nin, »wir haben ja alle kaputt gemacht.«
    »Die kriegen das hin.«
    »Aber was sollen die gegen seine Robos ausrichten? Sag doch? Vielleicht eine Bombe? Und wir können sie nicht erreichen. Sie vorbereiten. Wenn Gonzo doch noch bei mir wäre. Mit ihm könnte ich sie kontakten. Er hat ganz tolle, ganz ungewöhnliche Programme drauf. Vielleicht könnte er …«
    »Wir essen jetzt was, und dann wird geschlafen«, sage ich. »Wir haben heute Nacht ein Stück zu laufen. Also ich, ich muss das mit eigenen Augen sehen. Wenn du willst, bringst du mich hin und gehst dann allein zurück. Was meinst du?«
    Nin schüttelt den Kopf.

MINGUS
    Es wird hell. Ich stehe am Waldrand. Der runde Mond wird blass. Die Vögel im Gras, die seit Tagesanbruch wieder in großen Scharen eingefallen sind, schreien und flattern in der morgendlichen Stille.
    Ich lehne mich an einen Baum und denke an Aglaia. Sie ist nicht zurückgekommen. Auch Gonzo nicht. Ich bin allein. Das wollte ich, ich wollte allein sein, all diese Tage habe ich an nichts anderes gedacht. Ich bin allein. Ich bin frei. Ich kann es nicht genießen. Das ist nicht deine Welt, sage ich mir. Es nützt nichts. Aglaia gehört zu dieser Welt. Alan und die anderen. Tara. Der kleine Bruder hat dazugehört. Nicht wirklich. Er hat zu mir gehört.
    Ein paar von den Vögeln fliegen auf. Auch ich höre es. Geräusche im Wald jenseits der Lichtung. Metall schrappt an Metall. Maschinen surren und klacken. Nicht laut. Da kommen sie. Da kommen viele. Ich mache mich bereit, unterzutauchen, zu verschwinden im Unterholz.
    Die ersten Strahlen der Sonne erscheinen über den Bäumen. Wie mir der Himmel am Morgen gefällt. Die dünnen Wolkenbänder im Blau. Wie schön es in diesem Wald ist. Wie am Morgen die Bäume riechen, die feuchte Erde.
    Ich erstarre. Ein Robo tritt aus den Bäumen. Ein großes glattes Modell, größer als die beiden Menschen, die er mit sich schleppt. Menschen in Weiß, mit Laub im Haar. Siewehren sich schwach. Er zerrt sie durchs Gras zu dem Löwenbild. Der Löwenkörper, von mir abgewandt, verdeckt nun den Robo und seine Gefangenen. Ich habe genug gesehen. Es sind Aglaia und Matt. Ich sehe Aglaias Haar um die blanken Zangen des Robos gewickelt. Ich sehe ihr Gesicht, ihre weit aufgerissenen Augen. Ich renne los. Ich denke nicht. Ich renne los. Durchs nasse Gras. Es klatscht gegen meine Beine, die Vögel flattern auf. Ich renne, und ich brülle, wie ich noch nie gebrüllt habe. Das kommt von ganz allein, ohne mein Zutun. Eine mörderische Wut macht mich fast blind. Ich bekomme kaum Luft.
    Der Robo steht aufrecht, Aglaia liegt hingeschleudert am Sockel des Löwen. Ich mache einen Satz auf den Robo zu, lege all meinen Schwung in den Fußtritt. Der Robo sieht mich kommen und weicht zur Seite aus. Ich treffe ihn trotzdem, und ich treffe ihn auch mit meinem zweiten Tritt sehr hart am Kopf. Er taumelt. Er fällt nicht um, aber er taumelt hin und her, wie ein Mensch, der zu viel Apfelschnaps getrunken hat. Frieder taumelt so.
    Da liegt auch Matt, aber ich will einzig Aglaia aufrichten, und zwar rasch, der Robo blitzt und strauchelt. Der ist hin. Und da prallt schon ein neuer Angreifer gegen mich, ist da, wie aus dem Nichts, springt mich an mit einem Grunzen, reißt mich fast um mit seinem Ansturm. Ein goldener Koloss, ganz aus schwerem Gold. Jetzt hat er mich, wirft mich zu Boden. Ich komme schon wieder hoch, werfe mich gegen ihn, kralle mich fest. Ich werde ihm die Gurgel durchbeißen. Ich suche nach seinem Hals. Aber der Koloss ist gepanzert. Ich kann ihn nicht fassen. Ich schnappe nachseinem Gesicht. Es ist ganz nah. Ich werde dieses Gesicht zerfleischen. Seine Augen rausfetzen, diese kalten Augen, alle beide. Papa schlägt in mein Gesicht, seine Augen wie Eis. Seine Hände, heiß wie glühende Zangen. Der Koloss presst mich an seine Brust. Er ist stark. Er riecht nach Blumen und Schweiß. Mein Eckzahn ritzt seine Backe, mehr nicht. Papas Arm um meinen Hals. Er kommt von hinten. Ist hinter mir.
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