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Milo und die Meerhexe

Milo und die Meerhexe

Titel: Milo und die Meerhexe
Autoren: Patricia Schroeder
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Streifen, der sich wie eine Wand aus dem Meer erhebt.
    „Das sind meterhohe Felsen“, sage ich. „Dort werde ich nie und nimmer ein Menschenkind finden.“
    „Jawoll!“, ruft Kapitän Petreus Pitterfield und dreht sich mit einem Ruck um fünfunddreißig Grad nach Osten. „Zwanzig Meilen voraus befindet sich eine kleine Bucht. Dort sind Kinder.“
    „Ich brauche nur ein einziges“, erwidere ich. „Und zwar das Richtige.“
     
    „Jawoll!“, ruft der Seemann
    und ich folge weiter
    seinem ausgestreckten Arm.
    Das Wasser wird allmählich
    seichter und klarer.
    Helle Lichtpunkte flimmern
    unter der Oberfläche.
    Winzige Fische wuseln um mich herum.

    „Stopp!“, befiehlt Kapitän Petreus Pitterfield. „Für mich ist an diesem Punkt die Reise zu Ende. Den Rest der Mission Passendes Kind finden musst du allein erledigen. Ich werde exakt an dieser Stelle auf dich warten.“
    „Und wie sollen wir das Kind zur Meerhexe bringen, ohne dass es ertrinkt?“, frage ich zweifelnd.
    „Das lass nur meine Sorge sein“, erwidert der Seemann. Er schlägt einen Salto und die Blase wirbelt davon. Ungefähr drei Delfinlängen von mir entfernt bleibt sie im Wasser stehen. Jetzt macht Petreus Pitterfield einen Kopfstand und schon treibt die Blase langsam dem Meeresboden entgegen.

    Fasziniert schaue ich ihr nach. Ob Letti wohl ebenfalls in der Lage ist, auf diese Weise ihre Blase zu bewegen?
     
    „Grübel nicht so viel!“,
    ruft der Seemann mir zu.
    „Such lieber das Kind!“
     
    „Ja, ja“, brumme ich, lasse mich nach oben gleiten und durchstoße die Wasseroberfläche.
    Ich befinde mich in einer kleinen Bucht. Vor mir liegt ein Sandstrand, der mit bunten Tüchern, Sonnenschirmen und lachenden Kindern übersät ist. Einige von ihnen stehen in der Nähe des Ufers und werfen einander einen Ball zu. Manche bespritzen sich laut kreischend mit Wasser. Drei weitere Kinder befinden sich ganz in meiner Nähe und machen Schwimmbewegungen. Eines dieser Kinder wird von einer Frau und ein anderes von einem Mann begleitet.

    Es gibt nur ein einziges Kind, das allein im Wasser ist. Es ist ein Junge mit leuchtend gelben Haaren und hellen wachen Augen und er sieht ziemlich abenteuerlustig aus.
    Hastig tauche ich wieder unter und halte nun direkt auf den Jungen zu. Seine Beine zappeln im Wasser. Ich nähere mich langsam, schwimme in einem Bogen um ihn herum und schiebe mich vorsichtig zwischen seine Beine. Im nächsten Moment spüre ich seine Hände an meiner Rückenflosse.
     
    Er lacht und ruft:
    „Schaut her, ein Delfin!
    Ich reite auf einem Delfin!“

    „Sei bloß still“, zische ich. „Ich möchte nicht, dass mich jemand entdeckt.“
    Tatsächlich gibt der Junge keinen Mucks mehr von sich. Ein paar Atemzüge lang ist es beklemmend still. „Hast du mit mir geredet?“, fragt er stockend. „Oder träume ich das alles nur? Na ja“, fügt er leise hinzu. „Vielleicht habe ich ja auch einen Sonnenstich.“
    „Hast du nicht“, beruhige ich ihn. „Ich bin Milo. Meine Schwester ist in Not und ich brauche deine Hilfe.“

     
    Der Junge schüttelt den Kopf.
    „Das kann nicht sein“, murmelt er.
    „Das ist vollkommen unmöglich.
    Delfine können nicht sprechen.“
     
    „Irrtum“, entgegne ich. „Wir Delfine können sehr wohl sprechen. Wirklich ungewöhnlich ist, dass es Menschen gibt, die unsere Sprache verstehen.“
    „Ich glaub’s einfach nicht“, murmelt der Junge.
    „Meinetwegen kannst du glauben, was du willst“, brumme ich, während ich aufs Meer hinausschwimme. „Und du musst mir auch nicht verraten, wie du heißt. Wenn ich es mir überlege, will ich es gar nicht so genau wissen. Hauptsache, du machst, was die Meerhexe sagt, und Letti kommt wieder frei.“
     
    Der Junge schweigt.
    „Mein Name ist Luca“, sagt er schließlich.
    „Also gut, Luca“, erwidere ich.
    „Halte die Luft an.
    Wir tauchen jetzt unter.“

Unerwartete Hilfe
    Eigentlich habe ich erwartet, dass Luca heftig protestieren würde, aber selbst als das Wasser über uns zusammenschlägt, bleibt er ganz still auf meinem Rücken sitzen und hält sich an meiner Flosse fest. Ja, er zuckt nicht einmal mit dem kleinen Finger. – Als ob er schon ewig im Meer leben würde, durchfährt es mich. Aber das ist ja Unsinn! Menschen leben nicht im Meer.
    Allmählich wird das Wasser wieder dunkler und trüber und es dringen kaum noch Lichtreflexe zu uns herab. Ich genieße das angenehme Gefühl von Lucas Händen an meiner Rückenflosse und wende meinen
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