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Milo und die Meerhexe

Milo und die Meerhexe

Titel: Milo und die Meerhexe
Autoren: Patricia Schroeder
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an Letti hält mich davon ab.
     
    Ich will nicht kneifen,
    aber ebenso wenig weiß ich,
    was ich jetzt tun soll.
    „Schwimm weiter!“,
    flüstert eine hauchfeine Stimme.
    Und da ist sie wieder –
    die dusselige Qualle!

Die alte Meerhexe
    Die Qualle schwebt über mich hinweg auf den schwarzen Schatten zu und sie hat einen ganzen Schwarm ihrer schleimigen Freunde im Schlepptau. Wie gruselige Meergeister tauchen große und kleine rosa, weiß und bläulich schimmernde Quallen über mir auf und zupfen mit ihren Tentakeln an meiner Haut. „Komm  … komm … komm!“, säuseln sie und tatsächlich scheinen sie mich mit ihrem Gezupfe dem schwarzen
    Schatten immer näher zu bringen.
    „Was soll das?“, knurre ich. „Wollt ihr mir helfen oder seid ihr die Diener der Meerhexe.“
     
    „Nein, nein, nein!“, rufen die Quallen.
    „Wir sind keine Diener.
    Aber wir bringen dich.
    Die Hexe wartet schon.“
    „Auf mich?“, frage ich verwundert.

    „Woher weiß sie denn überhaupt, dass ich zu ihr will?“ „Die Meerhexe weiß alles seit Anbeginn“, raunen die Quallen mir zu. „Sie ist älter als die Zeit und es wird sie noch geben, wenn die Zeit längst vergangen ist.“
    Komisch, denke ich. Die Zeit vergeht doch andauernd. Kaum ist sie da, ist sie auch schon wieder weg. Diese Meerhexe hat offenbar einen ziemlichen Knall. Allerdings scheint sie auch hellsehen zu können, denn sonst wüsste sie ja nicht, dass ich gerade auf dem Weg zu ihr bin. Das ist mir ganz schön unheimlich – genauso wie der schwarze Schatten, der nun auf einmal als unüberwindliche Felswand vor mir steht.
    Das Todesriff!, durchzuckt es mich. Woher es wohl seinen Namen hat?
    „Niemand, der es bezwang, kam jemals zurück“, wispern die Quallen.
    O Schreck, denke ich, die Sache mit der Meerhexe war wohl doch keine so gute Idee. Vielleicht sollte ich lieber Doras Geheimniskrämerei sein lassen und darauf vertrauen, dass mein Vater und meine beiden Onkel Letti schon finden werden. Daheim und im Schutz unserer Insel ist es immer noch am gemütlichsten.

    „Und wir dachten, du willst nicht kneifen!“, rufen die Quallen im Chor und zupfen nun noch fester an mir herum. Ängstlich schiele ich nach oben, doch dort ist weder die schillernde Wasseroberfläche noch das Ende des Riffs zu sehen. Ich frage mich, auf welche Weise das Riff wohl jemals bezwungen wurde, da bewegt es sich plötzlich auf mich zu. Ich erstarre vor Entsetzen, aber dann sehe ich, dass es aus Millionen winziger schwarzer Fische besteht. Sie wirbeln dicht gedrängt umeinander.
    Wie praktisch, fährt es mir durch den Kopf. Man schwimmt hindurch und nimmt nebenbei eine kleine Mahlzeit. „Untersteh dich!“, mahnen die Quallen. Aber ich höre nicht auf sie.
     
    Mit weit geöffnetem Maul schwimme ich
    mitten in den Fischschwarm hinein.
    Und schon befinde ich mich
    auf der anderen Seite des Todesriffs.
     
    Todesriff – Ha! Dass ich nicht lache! Noch nie ist es so leicht gewesen, sich den Bauch vollzuschlagen. Ich schließe das Maul und spüre das verheißungsvolle Kribbeln der kleinen köstlichen Fischleiber auf meiner Zunge.

    „Spuck die Dinger aus!“, fährt mich eine Stimme an. Ich wirbele im Kreis herum und schaue nach oben und nach unten, kann aber niemanden entdecken.
     
    „Ausspucken – die Dinger – sofort!“,
    brüllt die Stimme.
     
    Vor Schreck öffne ich das Maul und die kleinen schwarzen Fische schießen kichernd heraus. Sie wuseln durcheinander und flappen spöttisch mit den Lippen. – Beim heiligen Neptun, wo bin ich hier bloß gelandet!

    Wieder wirbele ich herum und da sehe ich sie: eine seltsame Beule im Meeresboden. Sie wird dicker und dicker und größer und immer größer, bis sie mich um mindestens drei Delfinlängen überragt. Der graue Meeresboden, der sie umhüllt, bekommt Risse und platzt schließlich auseinander.
    „Uaaah!“, schreie ich und mache einen erschrockenen Flossenschlag zurück, denn vor mir steht nun eine hässliche, runzelige Gestalt. Sie hat einen langen dünnen Fischschwanz und einen dicken runden Bauch, der in eine Schifferkapitänsuniform gezwängt ist. „Bist du die Meerhexe?“, frage ich stotternd den menschlichen Kopf, der oben auf dem dicken Bauch sitzt.
    „Wer denn sonst?“, fährt die Hexe mich an.
     
    Sie hat Glubschaugen,
    eine Hakennase,
    ein Fischmaul
    und wild zerzauste grüne Haare.
     
    „Du solltest mir dankbar sein“, setzt sie etwas freundlicher hinzu.
    „Äh …“, stottere ich.
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