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Milo und die Meerhexe

Milo und die Meerhexe

Titel: Milo und die Meerhexe
Autoren: Patricia Schroeder
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an.
    „Dora?“, sage ich leise.
    „Ich bin es. Milo.“

     
    Dora wirbelt erschrocken herum. Bestimmt hat sie gedacht, ich bin ein Schwertwal oder ein Riesenhai. Doch als sie mich erkennt, lächelt sie. „Oh, hallo, Milo!“, ruft sie erfreut. „Ist dir langweilig? Möchtest du mir ein wenig Gesellschaft leisten?“ Ehe ich etwas erwidern oder auch nur mit den Seitenflossen schlenkern kann, schnattert sie bereits weiter. „Weißt du, mein Junge, seitdem meine Kinder die Schule verlassen haben und sich ihrer eigenen Wege tummeln, fühle ich mich manchmal etwas einsam. Da ist mir jede Abwechslung stets willkommen. Es ist nämlich nicht gut, wenn man die Dinge immer nur in seinem eigenen Kopf herumkreisen lässt. Hin und wieder muss man sie aussprechen und mit anderen teilen.“ „Hast du denn solche Dinge im Kopf?“, frage ich.

    „O jaaa!“, entgegnet Dora. „Und was für Dinge!“ Sie klimpert mit ihren langen, silberweißen Wimpern und tut außerordentlich geheimnisvoll. Doch dann verzieht sie ihr Maul und sagt: „Dir kann ich unmöglich davon erzählen. Du bist ja noch ein Kind!“
    Ich muss mich mächtig zusammenreißen, um nicht wie ein beleidigtes Fischbrötchen auszusehen. Zuerst Filippus, der meint, ich sei zu brav für Abenteuer, und jetzt auch noch Dora, die mich nicht für voll nimmt. Das kann ich unmöglich auf mir sitzen lassen.
     
    Ich bin viel unerschrockener,
    als sie glauben,
    und von Dingen verstehe ich
    ebenfalls eine Menge.

     
    Und damit Dora gleich klar wird, mit wem sie es zu tun hat, sage ich so beiläufig wie möglich: „Ach, du meinst bestimmt diesen besonderen Tag heute.“
     
    Dora kneift die Augen zusammen
    und betrachtet mich forschend.
    „Ja“, sagt sie schließlich.
    „Genau den meine ich.

    An einem solchen Tag sollten wir alle hübsch zusammenbleiben. “
    Ich denke an Letti und mein Herz sackt mir in den Bauch. Am liebsten würde ich Dora alles erzählen, aber ich fürchte, dass sie mir dann erst recht nichts verrät, sondern bloß von einem zum anderen schwimmen und davon berichten wird, dass meine kleine Schwester verschwunden ist. Also versuche ich, mir von meiner Aufregung nichts anmerken zu lassen, zaubere mir eine wissende Miene ins Gesicht und rate munter drauflos: „Jaaa, nachher verschwindet noch jemand …“
    Jetzt macht Dora große Augen und mir wird klar, dass ich tatsächlich ins Schwarze getroffen habe. „Du weißt von dem Fluch?“, ruft sie erstaunt.

    Ein Fluch? – Oh Gott, jetzt heißt es wirklich cool bleiben!
    „Natürlich“, sage ich. „Ich bin doch schon ein großer Junge.“
    „Nun ja“, erwidert Dora. „Du magst noch ein wenig  … zart wirken, aber wahrscheinlich bist du viel älter, klüger und mutiger als ich annahm.“
    „Das bin ich“, brüste ich mich. „Meine Eltern …“
    „Deine Eltern, soso“, fällt Dora mir ins Wort. Ihre Lider senken sich auf Halbmast und ihre Stimme bekommt einen schweren, traurigen Unterton. „Deine armen, armen Eltern … ach ja!“ Sie stößt einen langen tiefen Seufzer aus.
     
    Mein Herz klopft wie verrückt.
    Ich bekommel,
    keine Luft mehr.
     
    Eigentlich müsste ich jetzt ganz schnell an die Wasseroberfläche und einen langen Atemzug tun. Aber damit würde ich die Chance, endlich alles über diesen besonderen Tag zu erfahren, wohl endgültig vertun. „Was ist denn mit meinen Eltern?“, frage ich also.
    „Nun, sie haben reizende Kinder und eine süße kleine

    Prinzessin“, erwidert Dora versonnen. „Die kleine verlorene Prinzessin aus dem versunkenen Königreich“, murmelt sie und schwimmt langsam um mich herum. „Böse, böse Hexe.“
     
    Ich starre Dora an.
    In meinem Kopf
    wirbelt alles durcheinander.
    Natürlich kenne ich die Geschichten,
    die sich um die alte Hexe ranken.
    „Gibt es sie denn wirklich?“,
    frage ich ungläubig.

    Wieder kneift Dora ihre Augen zusammen. „Mein lieber Junge“, murmelt sie. „Kann es sein, dass du mich an der Nase herumgeführt hast und mich nur ausquetschen wolltest, als wäre ich eine Seegurke? In Wahrheit weißt gar nichts, stimmt’s?“
    Ich antworte nicht, sondern erwidere tapfer ihren bohrenden Blick.
    „Nun ja“, meint Dora schließlich. „Worüber mache ich mir eigentlich Gedanken? Im Grunde habe ich ja gar nichts erzählt.“
     
    Sie schenkt mir ein Lächeln
    und schwimmt davon.

Quallen überall
    Ich bleibe allein und ziemlich verwirrt am Riff zurück. Durch Doras komische Andeutungen ist meine Angst nur noch größer
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