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Milchfieber

Milchfieber

Titel: Milchfieber
Autoren: Thomas B. Morgenstern
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in Sicherheit bringen konnte. Sie zog ihn unter Aufbietung all ihrer Kräfte unter der Kuh heraus und ließ ihn im Mistgang liegen.
    Dann lief sie schreiend in die Küche.
    Irene Hintelmann erlitt einen Schock. Als sie Allmers bewusstlos im Mist liegen sah, stammelte sie nur ein paar Worte und brach dann weinend zusammen.
    Die Sanitäter waren entsetzt, als sie die beiden Verletzten in ihre Krankenwagen legen mussten. Es war nicht die Schwere der Verletzungen, die sie schockierte: Allmers troff die Jauche aus den Kleidern und er stank erbärmlich, Irene Hintelmann war nur wenig sauberer.

Kapitel 4
    Dr. Beatrix Bernhard war mit der Nase zufrieden.
    „Wir haben sie wieder gut hinbekommen“, meinte sie. „Schöner als vorher.“
    Allmers glaubte ihr. Er konnte im Spiegel nur eine rot und blau unterlaufene Nase mit verschiedenen Schwellungen sehen und legte entnervt den Spiegel weg.
    „Wann kann ich nach Hause?“, fragte er ungeduldig.
    „Warten Sie noch ein oder zwei Tage“, meinte sie, „Ihre Gehirnerschütterung muss ganz auskuriert sein.“
    Am Nachmittag nach der letzten Visite kam Werner ­Allmers. Schwerfällig und übergewichtig wie selten warf er sich so auf den Besucherstuhl, dass Allmers Angst um das Möbelstück bekam.
    „Wenn du so weitermachst“, sagte er seinem Bruder, „liegst du auch bald hier.“
    Werner Allmers verstand nicht: „Wieso? Was meinst du?“
    „Adipositas heißt das, glaube ich. Aber das ist eine andere Abteilung.“
    „Sehr witzig“, entgegnete Werner Allmers, der als Staatsanwalt in Stade arbeitete. „Ich habe Neuigkeiten.“
    „Lass hören“, meinte Allmers neugierig. „Ich bin richtig abgeschnitten, Hella kann mich hier ja nicht besuchen.“
    „Dein Freund Jürgen Hintelmann ist gestern gestorben.“
    Allmers schwieg betroffen. Arme Irene, dachte er.
    „Er hatte sich drei Halswirbel gebrochen und hatte schwere Schädelfrakturen. Wenn er überlebt hätte, wäre er ein sabberndes Wrack im Rollstuhl gewesen, vom Hals ab gelähmt. Ich glaube, für ihn war es besser so.“
    Allmers schwieg noch immer. Dass ein läppischer Sturz solche Folgen haben kann, dachte er, das waren höchstens drei Meter.
    „Da gibt es aber noch etwas. Und das macht mich stutzig“, fuhr der Staatsanwalt fort. „Es existiert eine Unfallversicherung.“
    „Gott sei Dank“, sagte Allmers, „sonst wüsste seine Frau wahrscheinlich nicht, wovon sie künftig leben sollte.“
    „Das Komische ist: Die Versicherung ist gerade mal drei Monate alt. Und es gibt keine für die Frau.“
    „Und? Hast du damit Probleme?“, Allmers war zunehmend genervt. Wie immer, fand er, sah sein Bruder hinter jeder Ecke das Böse lauern.
    „Überlege doch mal“, Werner Allmers kam in Fahrt, „Die Frau ist die Nutznießerin der Versicherung. Und dass die beiden Probleme miteinander hatten, weiß doch das ganze Dorf.“
    „Du willst doch nicht im Ernst behaupten, sie hätte nachgeholfen?“
    „Die Polizei hat mal wieder überhaupt nichts auf die Reihe bekommen. Es gibt keinerlei Ermittlungen, sie haben überhaupt nicht nachgefragt. Wo war die Frau, als es passiert ist? Gab es Spuren eines Kampfes? Haben sie sich gestritten?“
    Allmers schwieg. Er fand, dass das die beste Antwort auf die Spekulationen seines Bruders war.
    „Hast du etwas Verdächtiges gehört, kurz bevor er dir vor die Füße fiel?“
    „Nein“, Allmers wurde zornig. „Aber frag doch mal Uganda.“
    „Uganda? War da noch jemand, von dem ich nichts weiß? Wer hat denn so einen komischen Namen? Leben da Illegale auf dem Hof? Afrikaner vielleicht?“
    „Seine Lieblingskuh“, erwiderte Allmers.
    Werner Allmers merkte nicht, dass sein Bruder ihn hatte auf den Arm nehmen wollen und sagte ungerührt:
    „Was meine Mitarbeiter an mir so schätzen, sind mein Instinkt und meine schnelle Auffassungsgabe. Außerdem bin ich in der Lage, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Du weißt das doch am besten. Die letzten beiden großen Mordfälle wurden nur aufgeklärt, weil ich schneller und vor allen Dingen zwingender kombiniert habe als die Polizei. Die zielführenden Anweisungen kamen von mir!“
    Hans-Georg Allmers wusste, dass er jetzt nicht die Nerven verlieren durfte. Die Fähigkeit seines Bruders, sich mit den Erfolgen Anderer zu schmücken, ärgerte ihn schon, seit er denken konnte. Aber Allmers hatte immer noch Kopfschmerzen und eine lautstarke Auseinandersetzung hätte er nicht ertragen.
    „Ich habe keine Lust mehr auf deine Spekulationen“, sagte
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