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Milas Lied

Milas Lied

Titel: Milas Lied
Autoren: Britta Keil
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unterziehen.
    Robert und ich bestellten zwei Wodka-Orange und belegten eine der frei gewordenen Couches am Rande der Tanzfläche. Dann war ein Riss. Woher Theo plötzlich kam, weiß ich nicht mehr. Nur dass er sich neben mir auf die Couch fallen ließ und ich dachte, der Schwung der Federn würde mich an die Decke befördern. Er beförderte mich lediglich in Roberts Schoß, was bedeutete, dass sich unser Cocktailtest in einem fortgeschrittenen Stadium befunden haben musste. Mein Kopf lag auf seinen warmen Oberschenkeln, wenn ich die Augen öffnete, wurde mir schwindlig. Seine Hand berührte mein Haar, so vorsichtig, dass ich unter seiner Berührung aufweichte wie ein Keks in Kaffee.
    Als ich ein kleines Mädchen war und mein Vater mich zum Lachen bringen wollte, tunkte er beim Kaffeetrinken immer einen Butterkeks in seine Tasse, zog ihn heraus und hielt ihn dann so lange in der Waagerechten, bis das feuchte Stück Keks sich langsam bog und schließlich in den Kaffee stürzte.
    Nun war ich dieser Keks. Plump und willenlos. Allerdings hatte ich nicht in Koffein gebadet, sondern in einem kühlen, bitteren See aus Wodka und Orangensaft.
    Robert und Theo unterhielten sich. Ich kapierte noch, dass sie sich kannten. Ich kapierte sogar noch, dass Robert derjenige gewesen war, mit dem Theo telefoniert hatte, als wir in der U-Bahn gestanden hatten. Ich fühlte, wie mein Kopf immer schwerer wog, je länger ich Theos Stimme hörte. Die Gewissheit, dass ich einem Freund von Theo in den Schoß gefallen war, machte mich schläfrig. Am Ende war ich in einem fernen Land, mein Haar das Einzige, was mich noch mit Robert verband und mit Theo und mit der Couch, in deren Polster ich irgendwie festzustecken schien. Dann war wieder ein Riss. Es war der Riss zwischen gestern und jetzt und ich sah die Verbindung nicht, immer nur die leere Sektflasche, die alles und nichts erklärte.
    Es ist nicht schön, wenn einem jemand beim Kotzen zuhört. Aber im Fall von Theo war es mir fast egal. Als ich erschöpft aus dem Bad taumelte wie ein Häufchen Elend, stand er mit einer Kanne Kaffee im Flur und grinste mich an.
    Wenn er mir jetzt ein gesundes neues Jahr wünscht, dachte ich, trete ich ihm in die Eier.

Anetschka hat von…
    Anetschka hat von ihrem Freund zum Einjährigen eine Halskette bekommen. Die trug sie zwei Tage und dann hat sie sie vernichtet. Vorher hat sie alle Erinnerungen an ihren Freund vernichtet, mit Babuljas Kirschschnaps. In der Flasche schwammen immer auch ein paar Kirschen herum, die gab es aber nur sonntags, auf den Ananastörtchen.
    Ohne Törtchen taugt das Zeug nur zum Desinfizieren, sagte mein Vater. Meine große Schwester wollte also ihr Herz desinfizieren.
    Sie hat mich aufs Klo gezerrt, die Tür abgeschlossen und den Klodeckel angestarrt. Bestimmt zehn Minuten lang. Das Ding wurde immer weißer unter ihrem Starren und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich war ja erst zwölf. Irgendwann habe ich den Klodeckel aufgemacht und mich draufgesetzt, weil ich mal musste. Dann hat Anna geweint. Vielleicht fand sie mich taktlos.
    Was ich mich danach oft gefragt hab e – ob sie von Anfang an geplant hatte, die Kette ins Klo zu schmeißen, oder nur mit dem Gedanken spielen wollte, es zu tun. Diese blöde Kette war ja nicht mal aus echtem Silber.
    »Findest du mich schön?«, hat Anna plötzlich gefragt. Ich fand sie immer schön. Sogar nach einer halben Flasche Schnaps und zweimal Kotzen fand ich sie schön. Meine Anetschka. »Ja, sehr sogar«, habe ich gesagt. Dann ging die Spülung. Und danach hat sie gar nicht mehr aufgehört zu weinen.

Das neue Jahr…
    Das neue Jahr gab sich nicht besonders viel Mühe, mir zu gefallen. Der Schnee schmolz auf den Gehsteigen, die trüben Rinnsale rissen aufgeweichte Raketen mit sich und verstopften die Gullys. Der kurze Weg von meinem Zimmer bis zur S-Bahn genügte, um mich zu deprimieren.
    Ich kam mir vor wie unter Wasser. Ein feiner Nieselregen tauchte die Stadt in Nebel. Nichts hatte eine richtige Farbe. Nur die Regenschirme der Leute leuchteten grell und unwirklich und trieben durch die Straßen wie Quallen in einer Strömung, die man nicht sieht, nur spürt.
    Meine Hosenbeine sogen sich mit Wasser voll und schleiften über den Asphalt. Gerade als ich die rutschigen Stufen zur S-Bahn hinunterbalancierte, bekam ich eine SMS von Hannah.
    Du schaffst das! Werde ein paar Zaubersprüche für dich murmeln.
    Kussi, deine Hexenschwester.
    Hannah war meine beste Freundin. Wenn es sie nicht
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