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Der Fluch des Salamanders

Der Fluch des Salamanders

Titel: Der Fluch des Salamanders
Autoren: Ruediger Bertram
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»Lea! John! Post für euch!«
    Lea sah durch das Fernglas, wie ihre Oma aufgeregt rufend und mit einem großen Umschlag winkend auf sie zugelaufen kam. Plötzlich stoppte sie. Einer ihrer Hausschuhe war in dem lehmigen Boden stecken geblieben. Sie hüpfte auf einem Bein zurück, zog ihren Schlappen wieder an und rannte weiter über das Feld auf die uralte Linde zu, zwischen deren knorrigen Ästen Lea und ihr Zwillingsbruder John ihr Baumhaus hatten. Von dort oben konnte man bis zum Hof blicken, auf dem die beiden Kinder gemeinsam mit ihrer Großmutter lebten.
    Ihre Oma kam auf dem frisch gepflügten Acker nur langsam voran. Sie hatte schon wieder einen ihrer Hausschuhe verloren. Diesmal zog sie einfachauch den anderen aus und lief barfuß weiter. Es war der erste schöne Tag nach zwei Wochen Regen, die Sonne schien und ihrer Oma war es egal, wenn sie dreckige Füße bekam.
    John achtete nicht auf seine Großmutter. Er saß neben seiner Schwester und studierte ein Astloch, das aussah wie das Gesicht eines Mannes mit einer spitzen Nase, einem wulstigen Doppelkinn und einer langen Narbe auf der Wange.
    »Bestimmt stammt der Brief von einer skrupellosen und schrecklich geheimen Geheimorganisation, die Mama und Papa entführt hat. So ähnlich stand das auch in dem Buch, das ich gerade gelesen habe. Und damit sie wieder freikommen, fordern die Verbrecher von uns, dass wir die Freiheitsstatue in die Luft jagen«, flüsterte er, ohne das Astloch aus den Augen zu lassen.
    Eine Ameise kletterte in das Nasenloch des Mannes mit dem spitzen Kinn und John musste sich unwillkürlich selbst an seine juckende Nase greifen.
    »Blödsinn!«, widersprach Lea schroff. »Der Brief ist von Mama und Papa!«
    »Vielleicht konnten sie ihn an ihren Entführern vorbeischmuggeln! Vielleicht ist es ein Hilferuf!«
    »Hör auf zu spinnen! Sicher schreiben sie nur, um uns zu erklären, warum wir sie auch in diesen Sommerferien nicht sehen können!«
    Ihre Großmutter hatte jetzt das Baumhaus erreicht. Lea ließ an einem Seil einen Korb hinunter, der dazu diente, ihre Vorräte hinaufzuschaffen.
    »Der Brief ist von euren Eltern!«, rief Oma nach oben und legte den Umschlag in den Korb, der vor ihrer Nase im Wind leicht hin und her schaukelte. Sie konnte die Zwillinge nicht sehen, weil die Blätter der Linde zu dicht waren und das Baumhaus ganz oben in der Krone versteckt zwischen dem grünen Laub lag.
    Aus dem Baum erklang ein zweistimmiges »Danke!«, dann bewegte sich der Korb langsam und gleichmäßig nach oben.
    »Was steht denn drin? Was schreiben sie?«, rief Oma, obwohl sie den Inhalt längst kannte. Die Eltern der Zwillinge hatten ihr eine E-Mail geschickt und sie vorbereitet.
    Aus dem Baumhaus kam keine Antwort. Lea hatteden Brief aufgerissen und blickte auf den Inhalt, der in ihrem Schoß lag. Auch John starrte das eng beschriebene Blatt Papier, die zwei schmalen Bücher und die beiden Flugtickets an, die aus dem Umschlag gefallen waren.
    Lea reagierte am schnellsten. Sie griff nach dem Blatt.
    »Gib ihn mir! Ich will den Brief zuerst lesen!«
    John stürzte sich auf seine Schwester, aber Lea gelang es, ihren Bruder mit dem linken Arm abzuwehren und dabei den Inhalt zu überfliegen. Als sie fertig gelesen hatte, lächelte sie.
    »Gute Nachrichten! Sehr gute Nachrichten!«
    John schnappte sich den Brief und ließ sich auf eines der dicken Kissen fallen, die überall verstreut lagen. »… freuen uns riesig auf Euch … mit den Tickets zum Flughafen … holen Euch in Guatemala City ab … vier Wochen bei uns im Camp … die Bücher sind für Eure Notizen … Küsse, Küsse, Küsse … Mama und Papa«, las John leise die wichtigsten Stellen vor.
    Lea griff nach einem der beiden Bände, die vor ihr lagen, und blätterte sie auf.
    »Die sind ja leer«, sagte sie.
    »Wir sollen da was reinschreiben! Ein richtiges Expeditionstagebuch«, erwiderte John und griff nach dem zweiten Exemplar. Auch hier waren die Seiten leer, bis auf die erste:

    John erkannte die Handschrift seiner Mutter.
    »Was steht bei dir?«, fragte er neugierig seine Schwester.
    Lea schlug die erste Seite ihres Buches auf.

    Lea ließ das Buch sinken und sah ihrem Bruder in die Augen. »Siehst du! Sie haben uns nicht vergessen! Nur noch ein paar Wochen, dann sehen wir sie wieder!«
    »Falls sie bis dahin nicht doch noch entführt werden«, entgegnete John und grinste.
    »Klar doch, du Spinner!« Lea grinste zurück.
    »Jetzt sagt schon, was schreiben sie?«, rief Oma von unten.
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