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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc
Autoren: SF-Online
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meiner Herumstocherei.
    Ich trug das Ding in die Küche, legte es auf den Tisch und holte, was ich an Werkzeug besaß, aus dem Schrank. Nichts davon war für die Bearbeitung mikrominiaturisierter Bauteile gedacht, selbstverständlich, aber es gelang mir, den Kirschkern mit Hilfe einer Schraubzwinge fest genug auf der Tischplatte zu verankern, um mich mit der Eisensäge daran versuchen zu können. Das weiße Material der Umhüllung leistete keinen nennenswerten Widerstand, es zerfiel zu weißem Pulver,
    verteilte sich über den Tisch und verbreitete einen beißenden, ausgesprochen chemischen Gestank in der Küche. Die
    Metallhülle darunter war deutlich robuster, aber wohl doch schon etwas angegriffen, jedenfalls knackste es nach einigen Minuten vernehmlich, und das Bauteil fing an, sich unter der Schraubzwinge wegzuwinden. Ich entfernte sie und erledigte den Rest mit einer Kneifzange.
    Dann lagen die beiden Hälften vor mir auf dem Tisch. Ich beugte mich darüber und inspizierte sie mit Lupenblick. Mit einer Nadel gelang es mir, einzelne Schichten herauszulösen, meinen bebenden Händen zum Trotz. Nach und nach
    entblätterte sich das winzige Gerät, das in meinen Bauplänen nirgends verzeichnet ist.
    Ich bin kein Techniker, aber man hat uns doch einiges an Technik beigebracht. Es gibt eine Reihe von technischen
    Elementen, die ich zweifelsfrei identifizieren kann. Hätte es sich bei dem Ding aus meinem Bauch um ein hochkomplexes
    Gerät gehandelt, etwas von der Preisklasse meines Observation Detection Processors zum Beispiel, hätte ich hundert Jahre lang darauf starren können, ohne zu begreifen, was ich sah.
    Aber das hier war kein hochkomplexes Gerät. Im Gegenteil, es war ein ausgesprochen schlichtes Teil. Schlicht und robust, und 350
    vermutlich ist es seinen Erbauern vor allem auf Letzteres angekommen.
    Es bestand im Grunde aus zwei Teilen. Das eine war ein
    Empfänger. Man sah deutlich die eingerollte Dipol-Antenne und den Schwingkreis, eindeutig ein Funkempfänger der
    robustesten Bauart. Angeschlossen war ein winziger Chip, der Codenummer nach eine Entschlüsselungsvorrichtung.
    Der zweite Bestandteil war einfach ein Unterbrecher. Darum ging es in dem Ding. Eine Leitung führte hinein, eine andere hinaus, und beide waren durch metallene Laschen miteinander verbunden, die sich auf einen Impuls hin voneinander lösen konnten.
    Ich vermute, was mir passiert ist, war, dass ab und zu – etwa, wenn ich mich nachts besonders heftig bewegte und das Gerät im Bauchfell gedrückt und gequetscht wurde – durch einen der Risse in der Umhüllung Körperflüssigkeit eingedrungen ist.
    Das muss sogar recht oft vorgekommen sein, nur hat es in der Regel nichts gemacht, da die Konstruktion widerstandsfähig war. Doch manchmal – zum Beispiel in der Nacht auf Samstag vor einer Woche – ist es so weit gekommen, dass sich ein Flüssigkeitsfilm zwischen den beiden Kontaktlaschen bildete, der den Stromfluss unterbrach und damit die Stromversorgung meines Systems lahm legte.
    Die diversen Behelfe, die ich im Lauf der Zeit entwickelt habe, haben wahrscheinlich nur indirekt genutzt: indem sie den Bauch in Bewegung setzten und den isolierenden
    Flüssigkeitsfilm dadurch zum Abfließen brachten. Der einzige direkte Eingriff war der, mit einem spitzen Gegenstand durch die Bauchdecke zu stoßen, genau in die Kerbe, sodass die beiden Laschen fester aufeinander gepresst und die Flüssigkeit zwischen ihnen herausgedrückt wurde.
    351
    So weit, so gut. Doch die eigentliche Frage war, was das alles sollte. Ein Gerät, das auf einen Impuls hin die
    Stromversorgung meiner Systeme kappt. Einen, wie es
    aussieht, codierten Impuls. Mit anderen Worten, das Teil, das mir Dr. O'Shea herausoperiert hat, war dazu gedacht, dass jemand, der den Code kennt, mir nach Belieben den Saft
    abdrehen kann.
    Deswegen sitze ich hier und denke an den Tod. Es ist längst Mittag, draußen sehe ich große, milchig-graue Wolken, die sich über Dingle hinwegwälzen, es nieselt ein bisschen, wie es mehr oder weniger jeden Tag nieselt, und ich versuche zu verstehen, was Seneca meint, wenn er sagt: Nur eine Kette ist es, die uns gefesselt hält, die Liebe zum Leben. Und ist sie auch nicht abzustreifen, zu lockern ist sie doch, auf dass, wenn die Verhältnisse es einst erfordern, nichts unsere Bereitschaft schwäche, zu tun, was doch einmal geschehen muss.
    Es entbehrt nicht einer gewissen Logik, uns Cyborgs solche Geräte einzubauen, und auch nicht, uns ihre Existenz
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